Der mysterioese Zylinder
Mrs. IvesPope umher; IvesPope starrte immer noch über Frances’ Kopf hinweg auf die Wand; Stanford kaute an seinen Nägeln; Peale und Barry betrachteten beide Frances voll nervöser Anteilnahme und schauten heimlich zu Queen hinüber, so als wollten sie die Wirkung ihrer Worte auf ihn ablesen; Eve Ellis hatte ihre Hand nach vorne geschoben und hielt Frances’ Hand fest umfaßt.
Der Inspektor räusperte sich erneut.
»Welcher Seitengang war das, Miss Frances – der auf der linken oder der auf der rechten Seite?« fragte er.
»Der auf der linken, Inspektor«, antwortete sie ohne Zögern. »Wie Sie wissen, saß ich auf Platz M8 Links und deshalb, so nehme ich an, war es für mich selbstverständlich, auf dieser Seite auf den Gang hinauszugehen.«
»Sicher«, sagte Queen lächelnd. »Fahren Sie bitte fort.«
»Ich trat also hinaus in den Seitengang«, fuhr sie weniger nervös fort, »und da ich niemanden sah, den ich kannte, stand ich nahe der Backsteinmauer des Theaters, ein wenig hinter der geöffneten Eisentür. Die frische Nachtluft nach dem Regen war herrlich. Ich war kaum zwei Minuten dort, als ich auf einmal merkte, wie mich jemand leicht berührte. Ich trat etwas zur Seite, weil ich dachte, die Person wäre zufällig gegen mich gestoßen. Aber als er – es war ein Mann – es wieder tat, bekam ich es ein wenig mit der Angst zu tun und wollte weggehen. Er
– er packte mein Handgelenk und zog mich zurück. Wir standen halb hinter der Eisentür verborgen, die nicht ganz aufgestoßen worden war, und ich bezweifle, daß sonst jemand etwas davon bemerkt hat.«
»Tja – tjaja«, murmelte der Inspektor teilnahmsvoll. »Es scheint für einen völlig Unbekannten doch recht ungewöhnlich, so etwas in der Öffentlichkeit zu tun.«
»Es schien so, als wollte er mich küssen, Inspektor. Er beugte sich vor und flüsterte ›Guten Abend, Süße!‹, und ich – nun ich zog daraus diesen Schluß. Ich wich ein wenig zurück und sagte so ruhig wie möglich: ›Lassen Sie mich bitte gehen, oder ich werde um Hilfe rufen.‹ Daraufhin lachte er nur und kam noch näher heran. Er stank unerträglich nach Whisky. Mir wurde übel.«
Sie hielt inne. Beruhigend tätschelte Eve Ellis ihre Hand. Peale stieß Barry nachdrücklich in die Rippen, als dieser sich unter leichtem Protest schon halb erhoben hatte. »Miss Frances, ich werde Ihnen nun eine etwas merkwürdige Frage stellen – sie wird Ihnen fast lächerlich vorkommen«, sagte der Inspektor und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Roch sein Atem für Sie nach gutem oder nach schlechtem Whisky? … Sehen Sie! Ich wußte, daß Sie lächeln würden.« Die ganze Gesellschaft kicherte über den schrulligen Ausdruck in Queens Gesicht.
»Nun, Inspektor – das ist schwer zu sagen«, erwiderte das Mädchen freimütig. »Ich fürchte, ich kenne mich nicht allzugut aus mit Alkohol. Aber so wie ich es in Erinnerung habe, war es der Geruch von ziemlich gutem Whisky. Guter Whisky – aber davon eine ganze Menge!« folgerte sie und warf grimmig den Kopf etwas zurück.
»Ich hätte sofort auch noch den Jahrgang erkannt, wenn ich dort gewesen wäre«, murmelte Stanford IvesPope.
Die Lippen seines Vaters wurden schmal, entspannten sich aber bereits einen Moment später; der Anflug eines Lächelns erschien auf seinen Lippen. Mahnend schüttelte er den Kopf in Richtung seines Sohnes.
»Weiter, Miss Frances«, sagt der Inspektor.
»Ich war furchtbar erschrocken«, gestand das Mädchen ein, und seine roten Lippen zitterten dabei. »Mir war schlecht vor Ekel, ich entwand mich seiner ausgestreckten Hand und stolperte blindlings ins Theater. Das Nächste, woran ich mich wieder erinnern kann, ist, daß ich auf meinem Platz saß und hörte, wie die Klingel zum zweiten Akt läutete. Ich weiß wirklich nicht, wie ich dorthin gekommen bin. Mein Herz schlug mir bis zum Halse, und jetzt fällt es mir deutlich wieder ein, wie ich dachte, daß ich Stephen – Mr. Barry – nichts von dem Vorfall erzählen würde, weil ich Angst hatte, er würde den Mann finden und übel zurichten. Wissen Sie, Mr. Barry ist schrecklich eifersüchtig.« Zärtlich lächelte sie ihrem Verlobten zu; dieser sandte ihr auf der Stelle ein Lächeln zurück.
»Und das, Inspektor, ist alles, was ich von dem weiß, was Montag abend passiert ist«, fuhr sie fort. »Sie werden mich nun sicher fragen, wo in der ganzen Geschichte meine Tasche vorkommt. Nun, Inspektor – sie kommt überhaupt nicht vor. Denn, auf mein Ehrenwort, an das
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