Der mysterioese Zylinder
Schwierigkeiten gestoßen sind. Schießen Sie los, Äskulap!«
»Ich schieß’ ja schon los«, gab Prouty grimmig zurück. »Sie haben recht – ich bin auf ziemliche Schwierigkeiten gestoßen. Obschon ich doch einige Erfahrungen – wenn ich mir diese Bescheidenheit erlauben darf – bei der Untersuchung der inneren Organe von Verstorbenen gesammelt habe, muß ich gestehen, daß ich sie noch nie in einem solchen Chaos vorgefunden habe wie bei diesem Knaben Field. Wenigstens das wird Jones Ihnen mit Sicherheit bestätigen. Seine Speiseröhre, zum Beispiel, sowie der ganze Luftröhrenbereich sahen so aus, als wäre jemand liebevoll mit einer Lötlampe von innen darübergegangen.«
»Was war es denn – hätte es nicht eine Quecksilberverbindung sein können, Doc?« fragte Ellery, der sich gewöhnlich mit völliger Unkenntnis der exakten Wissenschaften brüstete.
»Wohl kaum«, knurrte Prouty. »Aber lassen Sie mich berichten, was passierte. Ich testete auf jedes bekannte Gift hin; obwohl dieses hier einige mir vertraute Eigenschaften von Petroleum aufzuweisen schien, konnte ich es nicht exakt einordnen. Ja, mein Herr, ich war ganz schön aufgeschmissen. Und um Ihnen ein Geheimnis anzuvertrauen – selbst mein Chef, der mich einfach für überarbeitet hielt, unternahm eigenhändig einen Versuch mit seinen sensiblen italienischen Händen. Das Resultat war auch in diesem Fall gleich null. Und der Chef ist nicht gerade ein Neuling, was chemische Analyse betrifft. Daher übergaben wir unser Problem an den obersten Lehrmeister auf diesem Gebiet. Aber lassen wir ihn seine Geschichte selbst erzählen.«
Dr. Thaddeus Jones räusperte sich bedrohlich. »Vielen Dank, mein Freund, für diese höchst dramatische Einleitung«, sagte er mit seiner tiefen schleppenden Stimme. »Ja, Inspektor, die Leiche wurde an mich übergeben, und ich muß nachdrücklich an dieser Stelle betonen, daß meine Entdeckung für das toxikologische Institut die größte Sensation der letzten fünfzehn Jahre darstellt!«
»Das ist ein Ding!« murmelte Queen, während er eine Prise Schnupftabak nahm. »Ich bekomme langsam Hochachtung vor dem Verstand unseres Mörders. So viele außergewöhnliche Entdeckungen in letzter Zeit! Und was haben Sie gefunden?«
»Ich konnte mich darauf verlassen, daß Prouty und sein Chef alle normalen Tests sorgfältig durchgeführt hatten«, begann Dr. Jones, während er seine knochigen Beine übereinanderschlug. »Das machen sie immer. So untersuchte ich die Probe zunächst einmal auf eher unbekannte Gifte. Unbekannt heißt hier, vom Standpunkt des kriminellen Benutzers aus gesehen. Nur um Ihnen zu zeigen, wie sorgfältig ich vorging – ich dachte sogar an das bei unseren Freunden, den Kriminalautoren so beliebte Hilfsmittel: Curare, das Gift aus Südamerika, das in vier von fünf Detektivgeschichten vorkommt. Aber selbst dieses so traurig mißbrauchte Mitglied der Familie der Gifte enttäuschte mich …«
Ellery lehnte sich zurück und lachte. »Wenn Sie damit leicht ironisch auf meinen Beruf anspielen, Dr. Jones, kann ich Ihnen nur versichern, daß in keinem meiner Bücher Curare vorkommt.«
Der Toxikologe zwinkerte belustigt. »Sie gehören also auch dazu, eh? Queen, alter Junge«, fügte er mit trauriger Stimme hinzu, während er sich an den Inspektor wandte, der gedankenverloren an einem Stück Gebäck knabberte, »darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen … Auf jeden Fall, meine Herren, kann ich Ihnen versichern, daß wir bei seltenen Giftfällen gewöhnlich ohne Schwierigkeiten zu klaren Ergebnissen kommen – das heißt, bei seltenen Giften, die im Arzneibuch stehen. Natürlich gibt es unzählige seltene Gifte, von denen wir überhaupt keine Kenntnisse haben – vor allem fernöstliche Drogen.
Um es kurz zu machen, ich mußte mir leider eingestehen, daß ich in der Klemme saß.« Dr. Jones lachte leise bei der Erinnerung daran. »Das war kein besonders schönes Gefühl. Das Gift, das ich untersuchte, hatte einige halbwegs vertraute Eigenschaften, wie Prouty schon bemerkte, und andere, die sich absolut nicht einordnen ließen. Ich verbrachte fast den gesamten gestrigen Abend damit, über meinen Proben und Reagenzgläsern nachzugrübeln, und spät in der Nacht hatte ich plötzlich die Lösung.«
Ellery und Queen richteten sich kerzengerade auf; Dr. Prouty lehnte sich mit einem entspannten Seufzer auf seinem Stuhl zurück und nahm sich eine zweite Tasse Kaffee. Der Toxikologe streckte seine Beine aus, und seine Stimme
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