Der mysterioese Zylinder
»Für eine Dame waren Sie ungewöhnlich schnell, wirklich ungewöhnlich schnell, Mrs. Phillips.«
»Mein Vater ist ein alter Schmeichler, Mrs. Phillips«, sagte Ellery ernst. »Also glauben Sie ihm kein Wort … Ich denke, es wird am besten sein, Vater, wenn ich es dir überlasse, den Rest des Zuschauerraums in Angriff zu nehmen. Ich würde mich gerne ein klein wenig mit Mrs. Phillips unterhalten. Glaubst du, daß du noch fit genug bist, die Sache alleine zu Ende zu bringen?«
»Fit genug –!« schnaubte der Inspektor wütend. »Du ziehst jetzt auf der Stelle los, und machst dich an die Arbeit … Mrs. Phillips, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Mr. Queen im Rahmen Ihrer Möglichkeiten behilflich sein könnten.«
Die weißhaarige Dame lächelte. Ellery nahm ihren Arm und führte sie in Richtung der Bühne. Inspektor Queen blickte ihnen versonnen nach, zuckte dann mit den Schultern und nahm die Suche wieder auf. Ein wenig später, als er sich gerade einmal aufrichtete, erblickte er Ellery und Mrs. Phillips, wie sie in angeregtem Gespräch auf der Bühne saßen. Sie wirkten wie zwei Schauspieler während der Probe. Queen arbeitete sich langsam weiter durch die Reihen, beugte sich über leere Sitze und schüttelte traurig den Kopf, als er sich immer noch mit leeren Händen den letzten Reihen näherte. Als er erneut aufschaute, waren die beiden Stühle auf der Bühne nicht mehr besetzt. Ellery und die alte Dame waren verschwunden.
Ganz zum Schluß kam Queen zu dem Platz LL32 Links, dort, wo Monte Field gestorben war. Bereits mit leicht resigniertem Blick nahm er eine gewissenhafte Untersuchung der Polster vor. Leise vor sich hin murmelnd, ging er dann zur Hinterseite des Zuschauerraums und betrat Panzers Büro. Wenig später erschien er wieder, nur um direkt anschließend wieder den winzigen Raum zu betreten, der vom Werbeleiter Harry Neilson als Büro benutzt wurde. Dort hielt er sich einige Zeit auf. Er kam dann heraus und stattete den beiden Kassenräumen einen Besuch ab. Als er damit fertig war, schloß er die Tür und nahm seinen Weg über die Treppe, die rechts im Theater hinunter in das Foyer führte, das unter dem Zuschauerraum gelegen war. Hier ließ er sich viel Zeit, stöberte in jeder Ecke, in jeder Wandnische, in jedem Abfallbehälter herum – alles war leer. Nachdenklich betrachtete er das große Bassin des Springbrunnens, spähte hinein und fand nichts. Daraufhin öffnete er seufzend die Tür mit der goldfarbenen Aufschrift ›Damen‹ und ging hinein. Wenig später erschien er wieder und schob sich durch die Schwingtür mit der Aufschrift ›Herren‹.
Als er die peinlich genaue Durchsuchung des unteren Stockwerks beendet hatte, stapfte er wieder mühsam die Treppen hoch.
Im Zuschauerraum traf er auf den wartenden Louis Panzer; von der Anstrengung war er leicht errötet, zeigte aber ein triumphierendes Lächeln. Der kleine Geschäftsführer trug ein in braunes Papier eingewickeltes Päckchen.
»Dann haben Sie Cronin also doch noch getroffen, Panzer?« sagte der Inspektor und hastete vorwärts. »Das war ungeheuer nett von Ihnen – ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ist das das Päckchen, das Cronin Ihnen gegeben hat?«
»Das ist es. Ein sehr netter Kerl, dieser Cronin. Ich mußte nicht mehr lange warten, nachdem ich Sie angerufen hatte. Er kam zusammen mit zwei anderen Männern, Stoates und Lewin. Er hat mich höchstens zehn Minuten warten lassen. Ich hoffe doch, daß es wichtig war, Inspektor?« fuhr Panzer lächelnd fort. »Ich würde so gerne das Gefühl haben, zu der Auflösung des Rätsels meinen Teil beigetragen zu haben.«
»Wichtig?« tönte der Inspektor zurück und nahm das Päckchen aus der Hand des Managers. »Sie haben keine Vorstellung davon, wie wichtig es war. Eines Tages werde ich Ihnen mehr darüber erzählen … Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Panzer?«
Der kleine Mann nickte enttäuscht, als sich der Inspektor grinsend in eine dunkle Ecke zurückzog. Panzer zuckte die Schultern und verschwand in seinem Büro.
Als er ohne Hut und Mantel wieder herauskam, stopfte der Inspektor gerade das Päckchen in seine Tasche.
»Haben Sie gekriegt, was Sie haben wollten, Sir?« erkundigte sich Panzer.
»Oh doch, ja wirklich!« sagte Queen und rieb sich die Hände. »Wie ich sehe, ist Ellery immer noch nicht wieder da; wir wär’s, wenn wir uns noch für ein paar Minuten in Ihr Büro begeben und uns dort die Zeit vertreiben würden, bis er zurückkehrt.«
Sie gingen
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