Der mysterioese Zylinder
Panzer zu fragen, ob er diese Mrs. Phillips erreicht hat. Wahrscheinlich hat er; sonst hätte er wohl etwas gesagt. Wo zum Donnerwetter ist sie bloß?«
Er winkte Flint heran, der den beiden anderen Polizisten bei der ermüdenden Arbeit half, die Planen zu entfernen.
»Ich hab’ heute morgen wieder eine dieser beliebten Beugeübungen für Sie, Flint. Gehen Sie auf den Balkon, und machen Sie sich dort an die Arbeit.«
»Wonach soll ich heute suchen, Inspektor?« grinste der breitschultrige Detective. »Ich hoffe doch, daß ich mehr Glück haben werde als Montag nacht.«
»Sie suchen nach einem Hut – nach einem hübschen, glänzenden Zylinder, so wie ihn die feinen Herren tragen«, verkündete der Inspektor. »Aber sollten Sie zufällig auf etwas anderes stoßen, rufen Sie uns!« Flint trottete die breite Marmortreppe zum Balkon hoch. Queen schaute ihm nach und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, dem armen Kerl wird eine weitere Enttäuschung nicht erspart bleiben«, bemerkte er zu Ellery. »Aber ich muß absolut sichergehen, daß sich dort oben nichts befindet und daß Miller, der Platzanweiser, der Montag abend den Treppenaufgang beaufsichtigte, die Wahrheit gesagt hat. Komm schon, du Faulpelz!«
Widerstrebend legte Ellery seinen Mantel ab und steckte das Buch in seine Tasche. Der Inspektor wand sich aus seinem weiten Mantel und ging seinem Sohn den Gang entlang voraus. Seite an Seite begannen sie an dem einen Ende des Raumes mit der Durchsuchung des Orchestergrabens. Nachdem sie dort nichts gefunden hatten, kletterten sie wieder zurück in den Zuschauerraum und durchkämmten langsam und gründlich – Ellery nahm die rechte, sein Vater die linke Seite – das Theater. Sie klappten die Sitzflächen hoch, stachen mit langen Nadeln, die der Inspektor aus seiner Brusttasche hervorgezaubert hatte, in die Plüschpolster und knieten sich nieder, um jeden Zentimeter des Teppichs im Schein der Taschenlampe zu untersuchen.
Die beiden Polizisten, die inzwischen ihre Arbeit mit den Planen beendet hatten, begannen nun, die Logen zu durchsuchen – ein Mann auf jeder Seite des Theaters.
Eine lange Zeit machten die vier Männer schweigend weiter; in der Stille hörte man nur das etwas angestrengte Atmen von Inspektor Queen. Ellery arbeitete schnell und effektiv; sein Vater war langsamer. Wenn sie sich nach der Durchsuchung einer Reihe in der Mitte trafen, schauten sie sich bedeutungsvoll an, schüttelten die Köpfe und begannen aufs neue.
Ungefähr zwanzig Minuten nach Panzers Abgang wurden der Inspektor und Ellery, beide in die Untersuchung vertieft, vom Klingeln eines Telefons, das in der Stille des Theaters besonders deutlich zu vernehmen war, aufgeschreckt. Vater und Sohn schauten sich einen Augenblick verdutzt an; dann lachte der alte Mann und stapfte den Gang hinauf in die Richtung von Panzers Büro.
Kurz darauf kehrte er lächelnd zurück. »Es war Panzer«, teilte er mit. »War bei Fields Büro angekommen und hatte niemanden angetroffen. Kein Wunder – ist ja auch erst Viertel vor neun. Aber ich hab’ ihm gesagt, er soll dort warten, bis Cronin kommt. Das wird jetzt nicht mehr lange dauern.«
Ellery lachte, und sie machten sich erneut an die Arbeit.
Fünfzehn Minuten später, als die beiden fast fertig waren, öffnete sich die Eingangstüre; eine kleine ältere Frau ganz in Schwarz erschien und blinzelte in den hellen Schein der Bogenlampen. Der Inspektor schoß auf sie zu.
»Sie sind Mrs. Philipps, nicht war?« rief er eifrig. »Es ist wirklich sehr liebenswürdig von Ihnen, Verehrteste, so schnell herzukommen. Ich glaube, Mr. Queen hier kennen Sie bereits?«
Ellery kam heran, zeigte ein für ihn so seltenes Lächeln und verbeugte sich galant. Mrs. Phillips war das Muster einer liebenswerten älteren Frau. Sie war klein und hatte recht mütterliche Formen. Mit ihrem schneeweißen Haar und ihrem gütigen Gesichtsausdruck gewann sie sofort die Zuneigung von Inspektor Queen, der eine sentimentale Schwäche für ältere Damen empfand.
»Sicher kenne ich Mr. Queen bereits«, sagte sie und reichte ihm ihre Hand. »Er war Montag abend sehr freundlich zu einer alten Frau … Und ich habe mir schon solche Sorgen gemacht, daß Sie auf mich warten müßten, Sir«, sagte sie leise und wandte sich an den Inspektor. »Mr. Panzer sandte mir heute morgen einen Boten – ich habe nämlich kein Telefon. Früher hatte ich eins, als ich noch selbst auf der Bühne stand … Ich kam, so schnell ich konnte.«
Der Inspektor strahlte.
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