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Der Mythos des Sisyphos

Der Mythos des Sisyphos

Titel: Der Mythos des Sisyphos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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ersten Blick. Denn die Methoden des Denkens nehmen in diesem wie in jedem anderen Falle zwei Aspekte an:einen psychologischen und einen metaphysischen 12 . Damit bergen sie zwei Wahrheiten. Wenn der Begriff der Intentionalität angeblich nur eine psychologische Haltung erklärt, durch die das Wirkliche erschöpft und nicht gedeutet würde, dann trennt ihn in der Tat nichts vom Geist des Absurden. Er geht nur darauf aus aufzuzählen, was er nicht transzendieren kann. Er bestätigt nur, daß auch beim Fehlen jedes Einheitsprinzips das Denken noch an der Darstellung und am Begreifen jeglicher Erscheinung der Erfahrungswelt Freude haben kann. Die Wahrheit, um. Die es sich bei jeder dieser Erscheinungen handelt, ist psychologischer Art. Sie bezeugt nur das , das die Wirklichkeit bieten kann. Das ist eine Art, eine schläfrige Welt wachzurütteln und sie dem Geiste lebendig zu machen. Aber wenn man diesen Begriff der Wahrheit erweitern und vernünftig begründen will, wenn man so das jedes Erkenntnis-Objektes zu entdecken meint, dann überläßt man seine Tiefe wieder der Erfahrung. Für einen absurden Geist ist das unbegreiflich. In der intentionellen Haltung ist ja gerade das Gleichgewicht von Bescheidenheit und Gewißheit spürbar, und dieses Schillern des phänomenologischen Denkens wird besser als alles andere die absurde Überlegung erläutern.

Abstrakter Polytheismus

    HUSSERL spricht nämlich auch von , die die Intention so ans Licht bringt, und man glaubt PLATON zu hören. Man erklärt nicht alle Dinge durch ein einziges, sondern durch alle. Ich sehe hier keinen Unterschied. Gewiß sollen diese Ideen oder Wesenheiten, die das Bewußtsein am Ende jeder Beschreibung , noch nicht vollendete Muster sein. Man behauptet aber, sie seien in jeder wahrgenommenen Gegebenheit direkt gegenwärtig. Es gibt keine einzige Idee mehr, die alles erklärt, sondern unendlich viele Wesenheiten, die unendlich vielen Dingen Sinn geben. Die Welt wird unbeweglich, aber hell. Der PLATONische Realismus wird intuitiv, ist aber immer noch ein Realismus. KIERKEGAARD versenkte sich in seinen Gott, PARMENIDES stürzte das Denken in das . Hier aber wirft sich das Denken in einen abstrakten Polytheismus. Mehr noch: auch die Halluzinationen und Fiktionen werden ein Teil der . In der neuen Welt der Ideen wirkt die Kategorie des Kentauren mit der bescheideneren des Großstädters zusammen.
    Für den absurden Menschen steckt eine Wahrheit und zugleich eine Bitterkeit in der rein psychologischen Ansicht, daß alle Gesichter der Welt ein Vorrecht hätten. Wenn jedes Ding bevorzugt ist, so heißt das: alle sind wieder gleichwertig. Aber der metaphysische Aspekt dieser Wahrheit führt den absurden Menschen in solche Ferne, daß er sich infolge einer elementaren Reaktion vielleicht PLATON näher fühlt. Man lehrt ihn tatsächlich, jeder Vorstellung liege eine Wesenheit mit den gleichen Vorrechten zugrunde. In dieser idealen Welt ohne Hierarchie besteht die formelle Armee nur aus Generalen. Zweifellos war die Transzendenz ausgemerzt worden. Aber eine plötzliche Wendung des Denkens führt in die Welt wieder eine Art fragmentarischer Immanenz ein, die dem Universum wieder Tiefe gibt.
    Muß ich fürchten, ein Thema, das von seinen Urhebern weit klüger behandelt wurde, zu weit geführt zu haben? Ich lese nur HUSSERLs Behauptungen, die anscheinend paradox sind, deren rücksichtslose Logik man aber spürt, wenn man das Vorhergehende zugibt: Die Vernunft triumphiert und dröhnt in dieser Stimme, das kann ich nicht bestreiten. Was besagt ihre Bejahung in der absurden Welt? Die Annahme eines Engels oder eines Gottes ist für mich sinnlos. Dieser geometrische Ort, an dem die göttliche Vernunft meine eigene rechtfertigt, wird mir immer unverständlich bleiben. Ich entdecke auch da einen Sprung, und wenn er auch ein Drang ins Abstrakte ist: er bedeutet für mich darum nicht weniger das Vergessen dessen, was ich gerade nicht vergessen will. Wenn HUSSERL sich weiter ereifert: , dann weiß ich, daß ich es

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