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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sich in den letzten zwei Wochen vornehmlich aufgehalten hatte. Sie sprachen von einem »Freund«, von dem ihre Eltern nichts wussten, aber jeder Schwachsinnige konnte sich natürlich denken, dass »Freund« nur eine scheinheilige Umschreibung für einen fiesen Pädophilen war. Vor ungefähr einem Monat waren zwei von dieser Sorte aus Portisfield evakuiert worden, nachdem einer von ihnen auf Grund eines Fotos erkannt worden war, und Mary war nicht die Einzige gewesen, die der Polizei geraten hatte, nach diesen beiden zu suchen. Die Kleine hatte ja weiß der Himmel wie lang praktisch Wand an Wand mit ihnen gewohnt, und so wie diese Kinderschänder waren – immer auf der Lauer nach einsamen Kindern, an die man sich leicht heranmachen konnte –, hatten sie sich die Kleine bestimmt gegriffen. Was für ein Blödsinn anzunehmen, sie wäre irgendwo in ihrem eigenen Viertel untergetaucht, wenn alles dafür sprach, dass sie jeden Tag abgeholt und irgendwo anders hingefahren worden war.
    Ganze fünf Sekunden lang verschlug es Mary die Sprache, als ihre Freundin ihr berichtete, dass die Pädophilen aus Portisfield jetzt in ihrem ehemaligen Haus wohnten. In
ihrem
Haus! Kinderschänder in
ihrem
Haus! Welcher Idiot hatte die Schnapsidee gehabt, sie ausgerechnet nach Bassindale zu verfrachten? Wo es mehr Kinder als Erwachsene gab! Das war ungefähr so, als setzte man einen Junkie in eine Apotheke. Wie man den Kerlen auf die Schliche gekommen sei? Ob sie versucht hätten, sich an ein Kind ranzumachen. Ob sie ein Auto hätten. Ob sie jeden Tag aus dem Haus gingen. Ob jemandem dort in der Gegend ein mageres kleines Mädchen mit dunklen Haaren aufgefallen sei.
    Auf die meisten ihrer Fragen bekam sie negative Antworten, aber das hieß noch lange nicht, dass für Zweifel kein Raum war. Bei so viel Heimlichtuerei um die Ankunft der Männer war wohl klar, dass diese kommen und gehen konnten, wie ihnen beliebte. Der Jüngere machte hin und wieder die Einkäufe. Dann huschte er durch die Straße wie eine Maus und sah keinem in die Augen, aber wer hätte sagen können, wohin er wirklich ging, wenn er am Ende der Bassindale Row um die Ecke bog, und ob er nicht irgendwo außerhalb der Siedlung heimlich einen Wagen stehen hatte? Der Ältere, kalkweißes Gesicht und schwarze Haare, war von Zeit zu Zeit am Fenster gesichtet worden, wo er im Schatten stehend finster zu den Vorübergehenden hinausblickte, aber wer wusste, was er abends trieb, wenn anständige Leute in ihren Betten lagen und schliefen? Und was das kleine Mädchen anging – na, am helllichten Tag hätten sie die Kleine bestimmt nicht ins Haus geschleppt.
    Anfang der Woche war ein Plan gefasst worden: Man würde an diesem Samstagnachmittag auf der Humbert Street protestieren und die Polizei zwingen, die Perversen aus der Siedlung zu entfernen. Dabei wurde die allgemeine Empörung noch durch die Tatsache gesteigert, dass die Bewohner von Portisfield solche drastischen und energischen Maßnahmen nicht nötig gehabt hatten. Das warf ein bezeichnendes Licht darauf, wie die beiden Siedlungen gesehen wurden – die eine als modern und aufwärts strebend, die andere als ein heruntergekommenes Getto für die Unterschicht. Die Aufsteiger beschwerten sich. Die Abgestürzten demonstrierten.
    Selbstverständlich fiel es keinem in Bassindale ein, die Polizei von der geplanten Aktion zu unterrichten. Es ging schließlich darum, den Bullen Dampf unterm Hintern zu machen, damit sie diese Kinderschänder abschoben, da durfte man ihnen keine Chance geben, die Demonstration verbieten zu lassen und jeden festzunehmen, der trotzdem auf die Straße ging. Ohnehin hatten so viele der Jugendlichen in der Acid Row schon vor dem Jugendrichter gestanden, dass die Bullen sie ruckzuck in Gewahrsam nehmen würden, wenn sie von dem Unternehmen Wind bekamen, und damit wäre man dann schon die Hälfte der Truppen los. Es war aber wichtig, in möglichst großer Zahl zu erscheinen. Je mehr Leute, desto mehr Druck – und desto größer die Chance, etwas zu bewirken.
    Mit einiger Berechtigung und nicht ohne Stolz sahen sich Gaynor und Melanie als die Initiatorinnen der Aktion. Ihnen war es zu verdanken, dass die Leute in der Siedlung überhaupt von der Anwesenheit der Verbrecher erfahren hatten. Mit ihrem Feuer hatten sie die Nachbarn zu entsprechendem Engagement entflammt. Durch ihre Entschlossenheit waren Ideen in die Tat umgesetzt worden. Hinzu kam, dass ihre Motive völlig uneigennützig waren. Sie waren überzeugt,

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