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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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neunzehnten Jahrhundert übers Meer nach Liverpool gesegelt war. »Sie schlagen sich lieber rum, als sich in ihr Bett zu legen...« Und über die Neigung der Patterson-Frauen, sich zum Zeitvertreib immer wieder mal einen Liebhaber zu nehmen, meinte sie nur: »...Der liebe Gott hätte uns keine Gebärmutter gegeben, wenn er nicht gewollt hätte, dass wir gebären.«
    Melanie und ihre Mutter teilten diese Überzeugung. Mochten wichtigtuerische Betreuerinnen vom Gesundheitsdienst von Verhütung labern, so viel sie wollten, das Kinderkriegen war für sie beide ein Grundbedürfnis. Wie für alle Frauen in ihrer Familie. Keine von ihnen hatte je geglaubt, die persönliche Erfüllung liege darin, sich eine geregelte Arbeit zu suchen und Geld zu verdienen. Aufgabe der Frau war es, Kinder zur Welt zu bringen, insbesondere, wenn jemand da war, der bereit war, für sie zu zahlen. Und als ihre größte Leistung sah Gaynor ihre älteste Tochter an, die liebte und geliebt wurde in gleichem Maß. Die Männer kamen und gingen in ihrer beider Leben, aber in ihrer Treue zueinander waren sie unerschütterlich. Sie waren sich in allem einig: In Vorlieben und Abneigungen, in Überzeugungen und Vorurteilen, in Bezug auf Freunde und Feinde.
    Als Gaynor am vergangenen Samstag von Melanie gehört hatte, dass nur ein Haus von ihren Enkelkindern entfernt Pädophile einquartiert worden waren, hatte sie mit vorhersehbarer Empörung reagiert.
    »Das ist doch nicht zu fassen«, hatte sie gesagt. »Wie kommen die vom Sozialdienst dazu, dir solche Psychopathen vor die Nase zu setzen und von dir zu erwarten, dass du Tag und Nacht deine Kinder bewachst? Das heißt doch nichts anderes, als dass diese Kinderschänder wichtiger sind, als du, Rosie und Ben zusammengenommen...und das ist nicht in Ordnung, Schatz. Typen dieser Sorte gehören lebenslänglich hinter Gitter, sag ich.«
    Sie zog an der Zigarette und reichte sie ihrer Tochter weiter. »Nein, das ist mir zu gefährlich für dich und die Kinder«, erklärte sie mit plötzlicher Entschlossenheit. »Ihr kommt nach Hause. Du kannst mit den Kleinen in Colins Zimmer ziehen, und Colin muss eben solange bei Bry und Klein-Harry unterkriechen.«
    Aber Melanie hatte den Kopf geschüttelt. »Jimmy kommt in zwei Tagen raus. Der macht das schon. Außerdem bin ich der Meinung, dass diese Perversen umziehen sollten und nicht wir – das hab ich der Kuh vom Wohnungsamt klipp und klar gesagt... Die vom Sozialamt haben vielleicht Nerven, hab ich gesagt, uns Vorträge über –«, sie hob beide Hände und setzte Anführungszeichen in die Luft, »‘verantwortungsbewusste Elternschaft’ halten und dann einen Haufen gottverdammte Scheißpädophile zu uns in die Straße verfrachten. Weißt du, was sie gesagt hat? Ich soll mich gefälligst etwas zivilisierter ausdrücken, sonst legt sie auf.«
    »Das gibt's doch nicht!«
    »O doch, das gibt's. Ich hab gesagt, wenn sie's schlimmer findet, Schimpfwörter zu gebrauchen als kleine Kinder umzubringen, sollte sie schleunigst mal ihren Kopf untersuchen lassen. Ihnen würd's doch garantiert nicht gefallen, hab ich gesagt, wenn man bei
Ihnen
nebenan solche Perversen einquartieren würde. Na ja, daraufhin krieg ich den üblichen Schmus zu hören – sie wüsste überhaupt nicht, von was ich rede –, sie wäre dafür nicht zuständig, und ich soll mich an meine Sozialarbeiterin wenden. Ich war echt stocksauer und hab gesagt, wenn
sie
nicht dafür sorgt, dass die Typen verschwinden, tun wir aus der Straße das eigenhändig. Ich mein, denen können unsere Kinder nicht viel wert sein, wenn sie's ganz in Ordnung finden, dass solche alten Drecksäcke sich jederzeit über sie hermachen können, wenn sie's gerade juckt... da hat sie dann tatsächlich aufgelegt...«
    Sieben Tage später hatte, von Rundfunk- und Fernsehmeldungen über das Verschwinden eines Kindes in Portisfield angeheizt, der öffentliche Unwille gegen die Pädophilen dramatische Ausmaße erreicht. Dank eines Briefträgers, der einer Nachbarin einen nachgesandten Brief zeigte, war bekannt geworden, dass die Männer früher in der Callum Road in Portisfield gewohnt hatten, und daraufhin rief dieselbe Nachbarin am Freitagabend Mary Fallon, die ehemalige Mieterin des Hauses Nr. 23 an, um zu hören, was diese wusste.
    Mary wusste eine Menge. In ganz Portisfield wimmelte es von Polizisten, die von Haus zu Haus gingen, das Foto des Kindes herumzeigten und wissen wollten, ob jemand die Kleine gesehen habe oder wisse, wo sie

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