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Der Nachtwandler

Der Nachtwandler

Titel: Der Nachtwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Natalies Tagebuch auf den Esstisch. »Es gibt tatsächlich eine Nachricht von ihr.«
    Er betrachtete die getupfte Sonnenblume auf der Vorderseite. Van Gogh. Wie passend. Auch ein Experte in Sachen Wahnsinn.
    »Aber ich kann mich nicht erinnern, wie sie an die Küchentür gelangt ist.« Seine Stimme wurde brüchig. »Ich kann mich an so vieles nicht erinnern, was ich im Schlaf mache.«
    »Leon, ich …«
    »Bitte, lass mich ausreden.«
    »Nein«, würgte Sven ihn ab. »Jetzt hörst du mir endlich mal zu, Leon.«
    »Okay.«
    »Du weißt, ich bin nie so richtig warm mit Natalie geworden. Und ich sag dir das jetzt als Freund, auch auf die Gefahr hin, dass ich es danach nicht mehr bin.«
    »Was?«
    »Ich traue ihr nicht. Sie spielt ein Spiel mit dir.«
    »Wie meinst du das?«
    »Denk nur an eure plötzliche Hochzeit. Wieso wollte sie, dass es auf einmal so schnell geht?«
    » Ich habe ihr den Antrag gemacht.«
    »Ja, aber du wolltest immer ein großes Fest. Sie wollte es heimlich und ganz intim, weshalb?«
    »Das ging von uns beiden aus.«
    »So? Und habt ihr in der Eile einen Ehevertrag gemacht?«
    »Wieso das? Sie hat die reichen Eltern, ich bin der Sozialfall.«
    »Und was ist mit unserer Firma, Leon? Wenn wir den Auftrag bekommen, ist das erst der Anfang.«
    »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ich zähle nur die Fakten auf, du musst dann eins und eins zusammenzählen.«
    »Die Fakten sind, dass Natalie etwas Schlimmes zugestoßen ist. Und das schon, bevor sie mich verlassen hat.«
    »Du meinst die Verletzungen?«
    »Ja.«
    »Die sahen krass aus, richtig?«
    »Ganz genau.«
    »So täuschend echt wie eure Maskerade zu Halloween?«
    Wumm. Ein weiterer Tiefschlag.
    »Du spinnst, Sven«, entgegnete Leon kraftlos.
    »Und du betrachtest die Dinge viel zu einseitig. Wer hat mir denn so stolz erzählt, was Natalie für eine Verwandlungskünstlerin sei? Vielleicht macht sie dir etwas vor.«
    »Sven …«
    »Nein, glaub mir. Du kannst keiner Fliege was zuleide tun. Ich kenne dich.«
    »Ich fürchte, nicht gut genug«, erhob Leon seine Stimme. »Ich halte gerade ein Tagebuch in Händen, in dem sie schreibt, dass ich ihr weh tue. Und dass sie so große Angst vor mir hat, dass sie UNSER KIND NICHT BEHALTEN WOLLTE.«
    Außer sich vor Wut feuerte er das Buch quer durchs Wohnzimmer.
    Noch im selben Atemzug bereute er seinen Ausbruch, doch jetzt konnte er es nicht mehr rückgängig machen. Das Buch hatte sich noch während des Fluges zum V aufgeblättert und einige lose Seiten verloren, bevor es gegen die Wand neben der Tür krachte.
    »Ich versuche dir doch nur zu helfen«, stotterte Sven, während Leon sich bückte, um die Blätter vom Parkett zu klauben. Es waren zwei Zeichnungen und ein Foto, das ihm bei der ersten Durchsicht des Tagebuchs entgangen sein musste. Er erkannte den Ort der Aufnahme sofort, auch wenn dieses Bild noch dunkler und schattiger war als eine Ultraschallaufnahme.
    Leon konnte mit allergrößter Anstrengung das Wort entziffern, das in altertümlicher Schrift direkt über einem gemalten Blitz prangte:
    ACHTUNG
    Vorhin noch hatte er gedacht, er hätte es am Ende eines Tunnels gesehen. Jetzt erkannte er seinen Irrtum. Die Mauer, an der das Warnschild hing, war keine Mauer, sondern eine Tür. Und auf dem verwackelten Foto in seinen Händen stand sie einen Spalt offen.
    Leon fühlte sich mit einem Mal so erschöpft, dass er das Gefühl hatte, sich sofort auf den Boden setzen zu müssen, wenn er nicht an Ort und Stelle umfallen wollte.
    »Wie lange brauchst du, um zu mir zu kommen?«, fragte er Sven, der sich bereits mehrfach erkundigt hatte, ob sein Freund überhaupt noch in der Leitung war.
    »Ich habe was getrunken. Vor morgen früh komm ich nicht weg.«
    »Bitte beeil dich. Ich muss dir unbedingt etwas zeigen.«

26.
    D er zweite Abstieg war noch beschwerlicher als der erste, das lag vor allen Dingen an der Ausrüstung, die Leon bei sich trug. Diesmal wollte er nicht auf die lückenhaften Intervalle der Hintergrundbeleuchtung eines Mobiltelefons angewiesen sein.
    Und er wollte sich auch nicht schutzlos in das Labyrinth begeben für den Fall, dass er vorhin tatsächlich einer realen Gefahr entkommen war und nicht nur einer entlaufenen Katze.
    Deshalb hatte sich Leon mit einer Stabtaschenlampe und einem Brecheisen ausgerüstet, das man sowohl als Werkzeug als auch als Waffe benutzen konnte.
    Weil er beide Hände frei haben wollte, hatte er das meiste davon in einem Gürtel verstaut, den er wie

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