Der Nachtzirkus
Oase.«
»Eine Oase mit sehr gutem Wein«, bestätigt Marco und prostet ihr zu.
»Erinnert mich an Frankreich.«
»Kommen Sie aus Frankreich?«, fragt er.
»Nein«, sagt Isobel. »Aber ich habe eine Zeitlang dort gelebt.«
»Ich auch. Aber das ist schon einige Zeit her. Und Sie haben recht, dieses Café ist sehr französisch, ich glaube, das macht auch seinen Zauber aus. Viele Lokale in London sind nicht gerade zauberhaft.«
» Sie sind zauberhaft«, sagt Isobel und errötet augenblicklich. Man sieht ihr an, dass sie die Worte am liebsten sofort wieder zurückgenommen hätte.
»Danke«, erwidert Marco, unsicher, was er sonst sagen soll.
»Pardon«, sagt Isobel, sichtlich nervös. »Ich wollte nicht …« Sie verstummt einen Moment lang, aber gelöst durch die anderthalb Gläser Wein spricht sie weiter. »In Ihrem Buch sind Zaubersprüche«, sagt sie und blickt ihn erwartungsvoll an, aber er sagt nichts, und sie wendet sich ab. »Zaubersprüche«, fährt sie fort, um das Schweigen zu füllen, »Zeichen, Symbole … Ich weiß nicht, was sie bedeuten, aber man kann damit zaubern, oder?«
Sie nippt hastig an ihrem Wein, bevor sie es wagt, ihn wieder anzusehen.
Marco wählt seine Worte mit Bedacht, besorgt über die Richtung, in die sich die Unterhaltung entwickelt.
»Und was weiß eine junge Dame, die einmal in Frankreich war, über Zaubersprüche und -zeichen?«, fragt er.
»Nur das, was ich darüber gelesen habe«, sagt sie. »Ich erinnere mich nicht, was sie bedeuten, ich kenne nur die astrologischen Symbole und ein paar aus der Alchemie, aber auch die kenne ich nicht wirklich gut.« Sie hält inne, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie weitersprechen soll, fügt dann aber hinzu: » La Roue de Fortune , das Glücksrad. Die Karte in Ihrem Buch, die kenne ich. Ich habe auch Tarotkarten.«
Während Marco sie bisher nur halbwegs faszinierend und einigermaßen hübsch fand, ändert sich das mit dieser Enthüllung. Er beugt sich über den Tisch und betrachtet sie mit erheblich größerem Interesse als noch kurze Zeit zuvor.
»Heißt das, Sie können die Karten legen, Miss Martin?«
Isobel nickt.
»Ja, zumindest versuche ich es«, stammelt sie. »Aber nur für mich, richtiges Tarot ist das wohl nicht. Ich … ich habe vor ein paar Jahren damit angefangen.«
»Haben Sie Ihre Karten dabei?«, fragt Marco. Isobel nickt wieder.
»Ich würde sie sehr gerne sehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, fügt er hinzu, als sie keine Anstalten macht, die Karten aus ihrer Tasche zu holen. Isobel schaut sich vorsichtig nach den anderen Gästen um. Marco winkt ab. »Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Leute«, sagt er, »bevor die sich fürchten, braucht es mehr als ein paar Karten. Aber wenn Sie nicht wollen, kann ich das verstehen.«
»Nein, nein, schon gut«, sagt Isobel, greift zu ihrer Tasche und holt vorsichtig ihre Karten heraus, die in ein Stück schwarze Seide gewickelt sind. Sie packt die Karten aus und legt sie auf die Tischplatte.
»Darf ich?«, fragt Marco und streckt zaghaft die Hand aus.
»Selbstverständlich«, antwortet sie erstaunt.
»Manche Tarotspieler wollen nicht, dass man ihre Karten anfasst«, erklärt Marco in Erinnerung an seine Wahrsagestunden, als er die Karten aufnimmt. »Und ich möchte nicht anmaßend sein.« Er deckt die oberste Karte auf, Le Bateleur . Der Magier. Marco muss beim Anblick der Karte unwillkürlich lächeln und steckt sie schnell zurück in den Stapel.
»Können Sie Karten legen?«, fragt ihn Isobel.
»Nein, nein«, antwortet er. »Ich kenne die Karten, aber ich kann sie nicht deuten.« Er schaut von den Karten auf zu Isobel, immer noch unschlüssig, was er von ihr halten soll. »Aber Sie können sie deuten, oder?«
»Wenn Sie das sagen.«
Sie sitzt ruhig da und beobachtet, wie er die Karten durchsieht. Er behandelt sie mit der gleichen Sorgfalt, mit der sie sein Tagebuch angefasst hat, und hält die Karten vorsichtig am Rand. Nachdem er sie alle angesehen hat, legt er sie zurück auf den Tisch.
»Die sind sehr alt«, sagt er. »Viel älter als Sie, würde ich sagen. Darf ich fragen, wie sie in Ihren Besitz gekommen sind?«
»Ich habe sie vor Jahren in einem Pariser Antiquariat in einer Schmuckkassette gefunden«, erklärt Isobel. »Die Frau wollte sie mir nicht mal verkaufen, sie sagte, ich soll sie bloß mitnehmen und aus ihrem Laden schaffen. Teufelskarten hat sie sie genannt. Cartes du Diable .«
»Die Leute sind einfältig«, sagt Marco, ein Satz,
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