Der Naechste bitte!
Endlich musste ich keine Angst mehr haben, dass Michael mir über die Schulter blickte und hirnlose Sprüche wie »Literatur ist die reinste Zeitverschwendung« von sich gab. Vielleicht würde es mir endlich gelingen, all das zu beenden, womit ich vor einer halben Ewigkeit begonnen hatte. Das Ganze war offenbar nur eine Frage der richtigen Perspektive. Abgeschossen zu werden bedeutete nicht automatisch das Ende – bei genauerem Hinsehen war es vielmehr eine Art Neubeginn.
Ich hastete ins Wohnzimmer, wühlte in meiner Handtasche nach meinem Handy und schaltete es an, um mich der Flut von Nachrichten zu stellen, die vermutlich meine Mailbox überschwemmte. Trotz der knapp fünfzehnhundert Flugbegleiter, die in New York ihren Stützpunkt hatten, kam einem die Stadt manchmal wie ein Dorf vor. Ich wusste, es dauerte nicht mehr lange, bis sich herumsprach, dass ich abserviert worden war.
So war es auch. Binnen Sekunden piepte meine Mailbox, und ein Briefumschlag erschien auf dem Display.
»Hailey? Ich habe von deiner Trennung gehört. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, melde dich.«
»Hailey? O mein Gott! Habt ihr wirklich Schluss gemacht? Wo wohnst du denn jetzt? Ist dir eigentlich klar, dass sich dein Leben von Grund auf ändern wird?«
»Hallo, Hailey, ich bin’s. Ruf mich an, wenn du Lust hast, was zu essen. Du bringst den Wein mit, ich besorg uns Nasigoreng.«
Noch während ich mit Nachricht Nummer vier beschäftigt war, bekam ich einen Anruf. Ohne einen Blick auf das Display zu werfen, hob ich ab.
»Hailey! Ich versuche dich schon das ganze Wochenende zu erreichen.«
Verdammt! Michael. Auch wenn ich mir insgeheim wünschte, dass er anrief, hieß das noch lange nicht, dass er das wirklich tun sollte. Ich überlegte, ob ich ihn einfach wegdrücken sollte.
»Geht’s dir gut? Wo steckst du?« Er klang abgekämpft.
»Was willst du?«, sagte ich, in der Hoffnung, möglichst gleichgültig zu klingen.
»Ich wollte nur hören, ob es dir gut geht.«
»Mir geht es großartig. Danke der Nachfrage.« Ich schüttelte den Kopf, wenngleich das natürlich total sinnlos war, weil er mich nicht sehen konnte.
»Hör zu, ich weiß, dass du entsetzt bist, und es tut mir fürchterlich leid. Aber es ist wirklich alles ganz anders, als du denkst.«
War das sein Ernst? Hatte er tatsächlich eine glaubwürdige Entschuldigung? »Ach so? Wie ist es denn in Wirklichkeit gewesen?«, fragte ich und spürte, wie sich die Fortschritte, die ich gemeinsam mit Clay erzielt hatte, in Luft auflösten, während die Wut in meinem Innern flammende Blüten trieb.
»Ich bin nicht schwul, falls du das jetzt annimmst«, sagte er mit einem angestrengten, schwachen Flüstern.
»Entschuldige die Frage, aber dir ist schon klar, dass da ein Typ zwischen deinen Beinen gekniet hat?«
»Hör zu, Hailey«, sagte er und klang auf einmal gereizt.
»Ich möchte nicht, dass du jemandem davon erzählst.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht schwul bin! Ich habe mir nur einen blasen lassen.«
Wie vom Blitz getroffen stand ich da und traute meinen Ohren nicht. »Tolle Rechtfertigung!«
»Ich will damit nur sagen, dass wir die Sache nicht überbewerten sollten.«
»Du findest, ich reagiere übertrieben, wenn ich an meinem Geburtstag nach Hause komme, in dem Glauben, dass du mir einen Heiratsantrag machst, und stattdessen Zeugin werde, wie du dir auf unserem Bett einen blasen lässt? Denkst du wirklich, ich sollte das nicht ÜBERBEWERTEN?«, brüllte ich und hatte dabei das Gefühl, am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen.
»Heiratsantrag?« Er lachte. »Wie kommst du denn darauf?«
Echt klasse. Warum habe ich das überhaupt erwähnt? ICH DUMME KUH! »Weil mir zufällig die Schachtel von Tiffany’s in die Hände gefallen ist«, murmelte ich und schüttelte erneut den Kopf, dieses Mal jedoch wegen meiner eigenen Dummheit.
»Das wirst du jetzt nicht gerne hören, aber ich hatte nie vor, dir einen Antrag zu machen. Wenn du schon meine Sachen durchwühlst, warum hast du die Schatulle dann nicht gleich geöffnet? Dann hättest du einen Schlüsselanhänger mit einer persönlichen Gravur gefunden und keinen Verlobungsring.«
Er wollte mir einen Schlüsselanhänger schenken? Zum Geburtstag? Und ich war bereit, diesem Mistkerl ewige Treue zu schwören?
»Ich bin noch nicht in der Lage, mich fest zu binden«, fuhr er mit seiner Kapitän-spricht-mit-kleinen-Kinderndie-sich-das-Cockpit-anschauen-Stimme fort. »Falls es jemals so weit sein sollte, dann
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