Der Naechste bitte!
»Planmäßige Ankunft fünfzehn Uhr Ortszeit.«
»Ist das Ihr Ernst? Soll das heißen, ich muss vorher nicht noch nach Salt Lake, Atlanta und Cincinnati?«, entfuhr es mir, weil ich mein Glück noch immer nicht fassen konnte.
»Ich müsste allmählich mal auch den Rest Ihrer Crew informieren«, entgegnete Bob leicht genervt.
»Okay, okay, nur eine winzige letzte Frage. Könnten Sie mich eventuell umbuchen?«, wollte ich wissen und suchte hektisch nach meinem Flugplaner. Vielleicht gelang es mir, aus dem unverhofften Glücksfall noch mehr Kapital zu schlagen. »Es gibt doch einen Nonstop-Flug nach La Guardia, eine Stunde früher. Könnte ich den nicht stattdessen nehmen?«
Bob seufzte. »Ihre Personalnummer?«
»Drei, fünfundzwanzig, neunundneunzig«, antwortete ich und lauschte dem dumpfen Klacken, als er die Zahlen eintippte.
»Geht in Ordnung.«
»Wirklich? O mein Gott, danke Bob. Ernsthaft, vielen tausend Dank. Sie ahnen ja nicht, wie viel mir das bedeutet. Heute ist nämlich mein Geburtstag, müssen Sie wissen. Wow!«, jubelte ich und starrte den Hörer an, aus dem nur noch ein monotones Brummen drang.
Mit der Zeitung unter dem Arm, zog ich wenige Minuten später meinen Trolley hinter mir her und lief den Korridor hinunter zu Clays Zimmer. Ich klopfte zweimal, hielt kurz inne und klopfte wieder zweimal. Unser geheimes Klopfzeichen seit sechs Jahren, auch wenn es zugegebenermaßen nicht besonders einfallsreich und kinderleicht zu knacken war.
Clay und ich hatten uns am ersten Tag der Flugbegleiterausbildung kennengelernt. Ich rechnete ihm noch immer hoch an, dass er mich mit durchgezogen hatte. Ohne ihn hätte ich nicht einmal diese furchtbare und schrille Einführungsveranstaltung überstanden. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, alles hinzuwerfen, hatte er mich daran erinnert, wie viel Spaß und wie viele Abenteuer uns erwarteten, sobald wir auf die Passagiere losgelassen würden: die zahllosen Zwischenstopps in den Metropolen dieser Welt, die Großeinkäufe in Duty-free-Shops und die unzähligen attraktiven und erfolgreichen Singlemänner, die ihr letztes Hemd dafür gäben, umsonst in der ersten Klasse fliegen zu dürfen, weil sie mit einem Crewmitglied liiert waren.
Wir mussten nun nichts weiter dafür tun, als sechs elend lange Wochen in der Ausbildungshölle zu schmoren. Wer schon mal zu einem Bootcamp verdonnert war, weiß, wovon ich spreche. Leider haben die meisten keinen blassen Schimmer von den Foltermethoden der Ausbilderinnen – ein Phänomen, das auf die Flut verbrämter Filme mit Zuckerpüppchen-Stewardessen zurückzuführen ist, die das Bewusstsein der breiten Bevölkerung kräftig verwässert haben. Aus diesem Grund werden wir wohl nie den Respekt bekommen, den wir verdient hätten. Ein System, das auf Paranoia fußt und in dem ein vergessenes Lächeln als Gehorsamsverweigerung ausgelegt und mit fristloser Kündigung geahndet wird, ist eine Schande.
Sechs nicht enden wollende Wochen waren wir zwei Ausbilderinnen ausgeliefert, die beängstigend viel Ähnlichkeit mit den Frauen von Stepford hatten. Sie wiesen uns nach und nach in die diversen Künste ein: wie man bei Wind und Wellen, sprich bei einer Notlandung auf dem Wasser, mit einer Handvoll Leuchtraketen, einem Schöpfeimer und einer Schachtel abgelaufener Fruchtbonbons überlebte, wie man mit Todesfällen an Bord umging (benutze niemals das Wort »Tod«), wie man mit vögelnden Passagieren verfuhr (reiche ihnen eine Decke und blicke in die andere Richtung), wie man renitente Passagiere mit langen Plastikbändern, auf denen das Logo der Fluggesellschaft stand, an ihren Sitz fesselte, was man bei Kopfverletzungen, Verbrennungen, starken Blutungen, Geburten, Erbrechen, Einnässen, Stuhlentleerungen tat und wie man anschließend alles wieder saubermachte, indem man in einen Universalseuchenanzug stieg (Soda war zur Fleckenentfernung ideal, und üblen Gerüchen rückte man am besten mit Kaffeefiltertüten zu Leibe).
Wir bekämpften Feuer, krochen durch dunkle, rauchgeschwängerte Kabinen und evakuierten ein Scheinflugzeug über aufblasbare Notrutschen, was nicht ohne Folgen blieb: Es gab drei Paar zerrissene Hosen, zahlreiche Verbrennungen und einen gebrochenen Arm (dessen Besitzerin mit der Begründung, sie habe einen zu weichen Knochenbau, umgehend den Abflug proben durfte). Man verpasste uns neue Frisuren, ein neues Make-up, untersagte uns allzu aufdringlichen Schmuck und fütterte uns mit Propaganda. Kritische Fragen, Scherze,
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