Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
heißt, dass er sogar
daran dachte, ihn ins Hauptquartier zu berufen. Manche meinen, er wäre ein guter Nachfolger für Panetta gewesen.“
„Willst du damit etwa sagen, dass Panetta etwas mit Freds Tod zu tun hat?“
„Es gibt nicht den geringsten Beweis. Aber ich traue ihm zu, dass er vor nichts zurückschreckt, wenn es um seine Position in der Liga geht. Seit Freds Tod
infiltriert er Gordon mit allerlei Horrorgeschichten über internationale Verschwörungen gegen die Liga. Die üblichen wirksamen Klischees: Illuminaten,
Freimaurer, Geheimlogen. Gordon fühlt sich jetzt selbst bedroht und umgibt sich mit frisch ausgebildeten EHs, die natürlich schrecklich stolz auf ihren Job
sind und sich für den Mahaguru und für Panetta in Stücke hacken ließen. Meine gemäßigten Töne erreichen Gordon kaum noch. Wir müssen uns beeilen, um diesem
Spuk ein Ende zu bereiten. Panetta ist uns über den Kopf gewachsen. Wir können ihn nicht einfach vom Platz schicken. Früher haben wir die Präsidenten
rausgeworfen, wenn uns ihr neuer Haarschnitt nicht passte. Heute müssen wir uns für Kreaturen wie Panetta Speziallösungen einfallen lassen.“
„Wenn Panetta der übernächste Mahaguru wird, ist dein Joker bestenfalls eine Interimslösung. Das aber schiebt das Problem bloß auf.“
„Der Joker wird ein Mann sein, der nur auf uns hört. Wir werden ihn von Panetta fernhalten und ihn mit unseren Ideen fernsteuern wie einen Roboter. Er wird
eine von uns programmierte Bombe sein, welche die Liga zur rechten Zeit von innen heraus sprengt. Mit seiner Hilfe werden wir den Verein ganz auflösen oder
zumindest so zersplittern, dass nur ein paar rivalisierende, unschädliche Randgruppen übrig bleiben. Der Mahaguru wird öffentlich, vor allen Atmas, die
Wahrheit über die Liga kundtun. Ganz in dem Sinne, wie du es vorhattest, aber effektiver, weil der Mahaguru selbst es tut.“
„Wie willst du das bewerkstelligen? Willst du etwa selbst Mahaguru werden?“
„Oh nein, das wäre zu durchsichtig. Der neue Mahaguru darf seine Rolle nicht nur spielen, er muss sie mit Haut und Haaren verkörpern, sonst findet er bei
den Atmas keine Basis. Wir müssen einen Geeigneten finden, und zwar aus den Reihen der Fanatiker, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine bis in die
Knochen spiritualisierte Liga. Es gibt genug Atmas, die diese Spitzeltruppe der EHs ablehnen und Panetta nicht sonderlich schätzen. Sie wollen eine ideale,
spirituelle Liga ohne weltliche Macht, ohne big business und großes Geld, wie seinerzeit der arme Jerry Grant. Einen von ihnen müssen wir zum Mahaguru
machen und geschickt steuern. Er muss von sich aus auf die glorreiche Idee kommen, dass der einzige Weg zurück zu einer wahrhaft spirituellen Liga darin
besteht, die Organisation mit ihren weltlichen Verwicklungen und Auswüchsen aufzulösen oder radikal umzuwandeln. Wir brauchen einen Jesus, der die Wechsler
aus dem Tempel vertreibt. Wir müssen die Liga mit ihren eigenen irrationalen Waffen schlagen.“
Ich hatte im Lauf unserer Freundschaft so viele obskure Pläne Teds gehört, von denen viele mit Erfolg Wirklichkeit geworden waren, dass ich ratlos den Kopf
schüttelte und zugleich meine Zustimmung gab.
Kurioserweise fand unser vertrauliches Treffen mit Patrick Panetta in demselben thailändischen Restaurant in Palo Alto statt, in dem ich vor vielen Jahren
Jason zum ersten Mal begegnet war. Ted schien dieses Lokal den besonderen Anlässen im Leben vorzubehalten, denn seit dem Abend mit Jason waren wir nie mehr
dort gewesen. Ich wunderte mich, dass es dieses Restaurant überhaupt noch gab, an derselben Straßenecke, mit denselben gelbroten Leuchtbuchstaben,
derselben verstaubten Buddhastatue im Schaufenster, demselben Interieur, als sei die Zeit stehen geblieben. Für einen Augenblick hoffte ich, die Jahre
hätten sich zu einer Schleife gedreht und ich würde Jasons hypnotische Augen auf mich gerichtet sehen und könnte die Entwicklung der Dinge an ihrer Wurzel
stoppen und ungeschehen machen – ‚Nein, Herr Jason, wir veröffentlichen Ihr Manuskript nicht, denn es ist nichts weiter als eine Mischung von Lügen,
Plagiaten und schrecklich schlechtem Stil.‘
Als ich aber meinen Blick über die Tische streifen ließ, sah ich das lachende Raubvogelgesicht Panettas und Teds gutmütig verschmitztes Grinsen. Die
Begrüßung war herzlich, wie das unter Gleichrangigen in der Liga üblich war, stets begleitet von dem unausgesprochenen Wissen,
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