Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
dass man einem hohen, in
diesem Fall dem höchsten Zirkel der Macht angehörte. Obwohl Panetta in den vierten Kreis eingeweiht war, erachtete er Ted und mich als höher stehend in der
kompliziert gestuften Hierarchie der Liga. Er sah uns als Menschen, deren Wohlwollen er sich versichern musste, um seine Ziele zu erreichen, als Menschen,
die ihm gefährlich werden konnten, vor denen seine üblichen Waffen der Intrige und des Einflusses auf Gordon versagten. Als Präsident kannte er die
Verträge, die uns mit der Liga verbanden und wusste, dass er uns selbst dann nicht schaden konnte, wenn er die allerhöchste Position in der Liga erreichen
sollte, die des Mahaguru. Als ich auf den Ecktisch zuging, glaubte ich das alles auf Panettas Gesicht zu lesen, das mich mit breitem Lächeln anstrahlte.
Ted wusste, wie Panetta anzupacken war. Vorsichtig umkreiste er das Thema, um ihn aus der Reserve zu locken. Aus dem Gesicht Panettas war jede Spur von
Heiterkeit gewichen. Er spürte, dass es um Dinge ging, die sein Leben entscheiden konnten. Ted fragte Panetta, ob auch er innere Hinweise in Träumen und
Meditationen erhalten hätte, dass mit der höchsten Führung der Liga etwas nicht mehr in Ordnung sei. Panetta wand sich. Er wusste nicht, ob dies eine Falle
war. Den Mahaguru zu kritisieren konnte auch dem Präsidenten der Liga über Nacht die Stellung kosten. Als Panetta vorsichtig antwortete, er habe von
solchen Strömungen gehört, ließ Ted durchblicken, dass wir beide ähnliche Hinweise aus inneren Quellen bekommen hätten, aber wir seien unsicher und wollten
dieses Problem mit ihm besprechen, dessen Herzensverbindung zu den uralten Adepten bekannt und unbestritten sei. Dieses informelle Treffen sei als
spirituelles Vertrauensgespräch zu verstehen, um wirkliche Klarheit zu erlangen. Denn das
Buch der Erleuchtung
sage freilich unmissverständlich,
dass der Mahaguru unfehlbar sei.
Es war ein Gespräch, das auf einem scharfen Grat irrationaler Haarspaltereien balancierte. Ted hatte die Liga-Sprache verinnerlicht und vermochte virtuos
auf ihrer Klaviatur zu spielen. Er führte das Gespräch so geschickt, kitzelte Panettas Eitelkeit so unwiderstehlich, dass der Präsident der Liga
schließlich einen Blick hinter seine unangreifbare Fassade zuließ. Auch er bemerke mit Erschrecken den physischen und psychischen Verfall Gordons und die
negativen Auswirkungen auf alle Kreise der Atmas und vor allem auf die geschäftliche und organisatorische Seite. Aber er habe sich bisher gescheut, darüber
zu sprechen. Panetta bedankte sich mehrmals für unser Vertrauen. Seine Nervosität schwand. Er wurde redseliger, berichtete Details über Pläne Gordons, die
der Liga ernsthaft schaden würden, setzte man sie in die Tat um. Für einige Augenblicke ließ Panetta sich gehen und sprach über Mahaguru Gordon Blake mit
abfälligem Unterton. Einige Momente waren es nur, in denen er den Panzer seiner Verstellung lüftete. Vielleicht glaubte er, er könne uns damit imponieren
und seine unbedingte Ehrlichkeit unter Beweis stellen. Ein leichtes Heben von Teds Augenbraue ließ ihn seine Entgleisung bemerken. Wie das Gitter vor einem
Tresorraum ratterte die unnahbar freundliche Fassade herab. Diese wenigen Sätze, vor glaubwürdigen Zeugen ausgesprochen, konnten ihm seine Stellung kosten.
Ted weidete sich einige schweigende Augenblicke lang an Panettas Unruhe, bevor er ihm zu verstehen gab, dass wir ihm in allem zustimmten. Dieses kurze Hin
und Her der Emotionen gewann Panetta für unsere Pläne, noch bevor er sie kannte.
Natürlich, berichtete Panetta mit ligaüblichem Zaudern, habe auch er in Träumen deutliche Hinweise auf Gordons Zustand bekommen. Auch in Briefen von Atmas
der höheren Zirkel seien solche Erfahrungen angedeutet.
Er war ganz unserer Meinung, das heißt, Ted lockte diese Meinung auf eine Weise aus ihm heraus, dass es schien, als sei sie sein ureigenes Anliegen: Gordon
musste abgelöst werden, um die Liga zu retten.
Als Ted die Frage stellte, ob Panetta Hinweise auf einen möglichen Nachfolger bekommen habe, begann es in dem Raubvogelgesicht zu zucken. Er konnte
unmöglich zugeben, dass er sich selbst als kommenden Mahaguru erachtete, wenn er aber einen anderen vorschlug, war sein Ziel für alle Zeiten verloren. Er
hatte es geschafft, Gordons Vertrauen zu erschleichen, niemand aber vermochte vorherzusehen, ob ihm das beim nächsten Mahaguru erneut gelingen würde.
„Es ist unklar geblieben,“ wich er
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