Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
dann eben ein lautloser Abgang mit einem internen Vertrag über die Copyrights und ein paar zusätzlichen Tantiemen als Schweigegeld. So wie Jane und
Rob es gemacht haben.“
„Und du würdest dich wohlfühlen auf deiner Jacht in der Karibik, würdest Pina Colada schlürfen und kreolischen Bauchtänzerinnen unter die Baströcke
greifen, während diese Organisation, aller Bremsen ledig, wie ein Krebsgeschwür weiterwuchert? Wir können nicht einfach davonlaufen. Wir haben uns diese
Suppe eingebrockt. Wir müssen sie auslöffeln. Ohne uns hätte Jason für den Rest seines Lebens vor alten Damen Vorträge gehalten und eine Sekte gegründet,
die zwischen fünfhundert anderen im Telefonbuch von Los Angeles steht. Ihm hätte das vielleicht genügt, wir aber haben mehr daraus gemacht. Wir können die
Geschichte nicht zurückdrehen. Das Wörtchen ‚wenn‘ ist bedeutungslos. Was wäre aus den Nazis geworden, hätte Hitler es zum Kunstmaler gebracht? Wie hätte
sich das Christentum entwickelt, wäre Saulus nicht vom Pferd gefallen? Solche Spekulationen bringen nichts. Wir stecken zu tief in der Sache drin. Wir
müssen sie bestmöglich zu Ende bringen. Es ist unser Karma, wenn du so willst.“
„Was bewegt dich auf einmal, vom hohen Roß deines Zynismus abzusteigen? Das Experiment Liga! Ich habe nie etwas davon gehalten, aber du schreibst heute
noch die hochtrabenden Artikel für Gordon.“
Ted zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich habe an die Liga geglaubt, nicht an Jason und Gordon oder an diese Märchen von uralten Adepten, aber an
die Idee, der Masse ein Quäntchen Spiritualität unterzujubeln, einen Hauch neuen Denkens, leicht konsumierbar, aber doch wirksam als Mittel zur Veränderung
des Bewusstseins.“
„Und zugleich war es ein Spiel mit der Macht, nicht wahr?“
„Ja, der Erfolg der Liga war wie ein Rausch. Endlich die Macht, wirklich etwas zu bewegen in den Köpfen vieler Menschen, weltweit, jenseits aller
politischen Ideologien, aller kulturellen Bindungen. Nur mit einer Religion kann man so etwas schaffen. Und dann die Neugier, wie weit man den Bogen
spannen kann. Jetzt ist es so weit. Die Dinge laufen in die falsche Richtung. Es liegt an uns, das aufzuhalten.“
„Wie stellst du dir das vor?“
„Wir brauchen einen Mahaguru, der ganz auf uns hört. Gordon ist übergeschnappt. Er ist keinem Vernunftsargument mehr zugänglich. Er hat diesen Spagat
geschafft, der mich immer wieder verblüfft, die Schizophrenie, die ich bei vielen sogenannten spirituellen Führern beobachtet habe: einerseits hält er sich
felsenfest für den Mahaguru, von den uralten Adepten auserwählt, obwohl er besser als jeder andere weiß, dass er seine Position allein im Bett von Jane
errungen hat. Er hält sich tatsächlich für die Verkörperung des höchsten Bewusstseinszustandes auf dem Planeten, zugleich aber vernascht er jede süße Maus,
die ihm über den Weg läuft und führt ein Leben wie Gott in Frankreich – Sportwagen, erlesene Dinner, Champagner, Cognac, vor allem Cognac. Außerdem hat er
schon vor geraumer Zeit angefangen, diese Mittelchen gegen seine Kopfschmerzen zu nehmen, diese Pillen, die alles so wunderschön dämpfen und leicht
machen.“
„Ich weiß. Wir haben darüber hinweggesehen. Schließlich ist er der Mahaguru und damit automatisch menschengemachter Moral entwachsen. Die Regeln der Welt
gelten nicht für Erleuchtete. Er hat seinen Job trotzdem prächtig ausgefüllt. Die Atmas sind hingerissen von ihm. Er versteht es, die Leute mit einer
emotionalen Begeisterung zu erfüllen, die ich nur von Popkonzerten kenne. Er kann die Leute aufladen wie mit Starkstrom und sie laden im Gegenzug ihn auf.
Er hat das eben nicht verkraftet.“
„Genauso ist es. Aber der Unterschied zu einem Popstar besteht darin, dass er sich für den Stellvertreter Gottes auf Erden hält und nichts weniger vorhat,
als alle Menschen dieser Welt davon zu überzeugen. Dieser Anspruch hat weitreichendere Konsequenzen, als möglichst viele Schallplatten verkaufen zu wollen.
Zur Durchsetzung seines Ziels ist ihm mittlerweile jedes Mittel recht. Du solltest die neuesten Richtlinien für die „Erweckung von Schläfern“ lesen. Gordon
hetzt die Atmas in einen wahren Missionierungskrieg, in dem nur mehr die Zuwachsraten zählen. Du warst bei den beiden letzten Treffen des inneren Kreises
nicht dabei. Er trifft wirre Entscheidungen, ordnet die bizarrsten Maßnahmen an – neulich wollte er Uniformen für
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