Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Raumes mit einer Intensität, dass Aron glaubte, sie
greifen zu können. Es schien, als verdichte sich das Dunkel zu Formen. Plötzlich sah sich Aron in eine Kammer versetzt, angefüllt mit dumpf brütender Hitze
wie das Audienzzimmer des Mahaguru. Es war ein pyramidenförmiger Raum, in dessen Mitte, genau unter seiner Spitze, in schwarzer Schale eine Flamme sprang.
Sie war die einzige Beleuchtung des Raumes. Verborgen in den zuckenden Lichtern und Schatten wurde sich Aron eines Kreises von Gestalten gewahr, so
unergründlich dunkel wie jene, die ihn geführt hatte.
„Aron,“ sagte eine Stimme neben ihm. Als er sich umwandte, erkannte er den Mahaguru, fast versunken im Halbdunkel der Kammer. „Es freut mich, dass du
gekommen bist.“
Aron hatte den Mahaguru immer wieder in seinen Träumen gesehen, nie aber auf diese Weise, als hohle Larve, angefüllt mit der schwarzen Macht der Nokam. Der
Mahaguru sprach weiter, ohne Aron anzublicken, als suche er seine Augen dem jungen Atma zu entziehen: „Ich habe dir prophezeit, dass du deine Aufgabe bald
begreifen wirst. Jetzt ist die Zeit gekommen. Weißt du, wo du dich befindest?“
„In Blackwater,“ hörte Aron sich antworten. Es schien, als spreche eine andere Stimme für ihn.
„Ja, in Blackwater. Im Zentrum der Macht. Doch nur wenige kennen diesen heiligen Raum, nur jene, die von den Nokam selbst auserwählt wurden.“
„Es ist heiß in dieser Pyramide.“ Aron sprach ohne zu denken, folgte wie ein Schlafwandler seinen spontanen Gefühlen und Eindrücken. Die Erinnerung an den
Audienzraum des Mahaguru war ihm plötzlich in den Sinn gekommen.
Der Mahaguru antwortete mit glucksendem Lachen. „Heiß wie in einem Mutterleib. Durch diese Geburtshöhle tief in der Erde werden die Nokam ins Leben treten,
die Uralten, die endlich zurückkehren, um die Welt zu erleuchten.“
„So schwarz ist ihre Kraft,“ murmelte Aron. „Ich fürchte mich vor ihr.“
„Das ist gut. Deine Angst sei eine Opfergabe für die Nokam. Fürchte die Kraft des Hju mit deinem ganzen Sein, gib dich ihr vollkommen hin, dann wird sie
dich unsterblich machen. Schon führte sie dich sicher über den Abgrund des Feuers.“
„Ja, aber ist das Licht nicht mächtiger als die Dunkelheit?“
Das Lachen des Mahaguru verebbte in scharfem Zischen. „Du irrst dich, Aron. Die Finsternis ist der Urgrund des Lichts, das ungeborene Licht, die Mutter des
Lichts, die Ursache des Lichts. Die narrenhaften Religionen beten das Licht an, ohne die schaffende Kraft zu kennen, die hinter dem Licht steht. Das Licht
ist nur eine flüchtige Erscheinung dieser Kraft, ein wesenloses, vergängliches Flackern, doch selbst hinter dem gleißendsten Strahlen steht immer die
Dunkelheit als Urzustand, aus dem alles hervortrat und in den alles zurückkehren wird. Verstehst du das?“
Aron nickte. Die Worte des Mahaguru, die er wie in seinem eigenen Kopf gesprochen wahrnahm, klangen wie eine Gewissheit, die er stets gekannt, die immer in
seinem Herzen gelebt hatte, die aber verschüttet gewesen war. „Die Urquelle,“ flüsterte er.
„Gut!“ kicherte der Mahaguru. „Nur wenige begreifen dies. Die Menschen fürchten sich vor dem Dunkel, weil eine gnadenlos brennende Macht in ihm wohnt, eine
Macht, die keine Illusionen kennt, die alle Lüge vernichtet. Sie verehren lieber das flüchtige Phantom des Lichtes, dieses Vorüberhuschen von
Erscheinungen, das ihnen Trugbilder von Sicherheit vorgaukelt wie Schemen eines Films auf der Leinwand. Die wenigen aber, deren Herzen von der dunklen
Urkraft erfüllt sind, werden den Kosmos beherrschen, denn die Nokam, die Herren der Finsternis, die Hüter der höchsten Macht, die Reinen, die Uralten,
kehren zurück in fleischliche Form, wie einst in den goldenen Tagen von Mu und Atlantis.“
Wieder nickte Aron. Alles, was der Mahaguru sagte, schien von Wahrheit durchdrungen, von selbstverständlicher Wahrheit, die seit unzähligen Leben auch in
seinem Herzen wohnte.
„Du hast der höchsten Macht früher gedient, doch du hast sie verraten, bist tief gefallen, nun aber bist du erwählt, ihr wieder zu dienen.“
„Ja, ich weiß es,“ antwortete Aron.
„Vertraue dem Hju. Es ist der Schlüssel, der dich für die Nokam öffnet. Es macht dich bereit für die Große Einweihung.“
Aron bejahte. Das Hju hatte ihn sicher über den Abgrund des Feuers geführt, es hatte den Geist des Nokam mit seinem vereint.
„Was ist das Hju wirklich?“, fragte er.
„Das Hju ist das
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