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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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Unser Plan war sinnlos!
    Ich sprang erregt von meinem Stuhl auf.
    Im gleichen Augenblick kam Ted herein, gefolgt von Ken und John, begleitet von einer Eskorte grimmig dreinblickender Sicherheitsleute. Panetta, der immer
    wieder in die Kulissen schielte, um auf mein Zeichen zu achten, das ihm die Ankunft des Mahaguru melden sollte, hatte meine jähe Regung bemerkt. Ohne zu
    denken gab ich das vereinbarte Signal. Er beendete den Hju-Gesang mit einem langsam und tief gesprochenen „Danke“. Der schwebende Ton verebbte, meine zum
    Zerreißen gedehnte Spannung aber ließ nicht nach.
    „John weiß Bescheid,“ flüsterte mir Ted im Vorbeigehen zu.
    Ich hörte es kaum. Es war unwichtig geworden. Ich nahm alles, was nun folgte, wie durch einen gläsernen Panzer wahr, der mich von meiner Umgebung
    absonderte. Zugleich schien ein inneres Gespür für die unsichtbaren Vorgänge in mir und in den Menschen um mich herum über alle Maßen geschärft und
    überreizt. Ken schüttelte mir mit verkrampfter Heiterkeit die Hand. Ich spürte seine Nervosität und Angst wie einen Stromschlag.
    Panetta ließ einige Augenblicke des Schweigens verstreichen, bis er die Formel sagte, die jedem Auftritt des Mahaguru voranging: „Meine Damen und Herren,
    der spirituelle Führer der Liga und der uralten Adepten, der Mahaguru Ken Andersen.“
    Die Atmas, nun bis zum Äußersten angespannt, erhoben sich von ihren Plätzen und begannen begeistert zu klatschen. Der Höhepunkt des Seminars war endlich
    gekommen. Mit wirkungsvoller Verzögerung trat Ken aus der Kulisse, schüttelte Panetta auf offener Bühne die Hand und ging zu seinem Sessel. Der Beifall
    steigerte sich und verklang, nachdem Ken sich niedergelassen hatte. Es war wie bei jedem Seminar – und doch war alles anders.
    Panetta begrüßte Ted und John mit einem Winken. Sein Gesicht war angespannt. Ich spürte rasende, mit eisernem Willen unterdrückte Erregung in ihm. Er
    schien zu flackern wie eine Flamme im Wind. Die Sicherheitsleute zogen sich zu ihren Positionen an den Türen zurück.
    Ken verharrte auf seinem Sessel und blickte schweigend ins Publikum. Er schluckte, räusperte sich, schien um Worte zu ringen. Die Spannung im Saal stieg
    ins Unerträgliche. Endlich begann er, mit leiser, gebrochener Stimme: „Ich habe gestern über spirituelle Aufrichtigkeit gesprochen, heute möchte ich die
    praktischen Konsequenzen dieser Aufrichtigkeit aufzeigen.“ Er sprach langsam, als müsse er jedes Wort mit Gewalt aus seinem Mund zwingen. Eine lange Pause
    folgte. Die Stille im Saal schien mit Händen zu greifen. Ken schien zu überlegen, trank aus seinem Wasserglas, stellte es zurück auf den Tisch, schenkte
    aus der Karaffe nach, blickte versonnen ins Publikum. Schließlich gab er sich einen Ruck, nickte entschlossen und fuhr fort: „Die Zeit ist gekommen, um
    einen Blick bedingungsloser Ehrlichkeit auf die Liga zu werfen und mit mutigem, unvoreingenommenen Herzen zu erwägen, ob sie noch dem Zweck dient...“
    In diesem Augenblick fielen die Schüsse. Mir war, als spürte ich sie schon den Bruchteil eines Augenblicks vor dem bellenden Knallen, das die Stille in der
    Arena jäh zertrümmerte. Ein Mann in einer der vorderen, für die Liga-Führer reservierten Reihen hatte sich von seinem Sitz erhoben und feuerte auf den
    Mahaguru. Die Menschen um ihn schienen wie gelähmt. Eine Glocke der Erstarrung lag auf den Atmas. Nur der Mann mit der Waffe, der inmitten der Menge stand
    und schoss, schien von dieser Lähmung befreit und auch wir, die vier Personen hinter der Bühne. Die Augenblicke, in denen dies geschah, dehnten sich zu
    Ewigkeiten, vergingen in quälender Langsamkeit.
    Ted rannte auf die Bühne, mitten hinein in den Kugelhagel. Noch im Laufen wurde sein Körper zweimal, dreimal in kurze Zuckungen gerissen, bis er neben Kens
    Sessel auf die Bühne stürzte. Ken war auf seinem Sitz zusammengesunken, langsam nach vorne gekippt und zu Boden gefallen. Unmittelbar hinter Ted war John
    auf die Bühne gelaufen. Auch er zuckte zusammen, bevor er sich über Ken beugte, fasste sich an den Arm und hantierte weiter hektisch an Kens Körper. Es war
    die letzte Kugel aus der Waffe des Attentäters gewesen, bevor sich Sicherheitsleute auf ihn stürzten. Auch Panetta und ich liefen auf die Bühne. Ich kniete
    neben Ted und wusste sofort, dass ihm nicht mehr zu helfen war.
    In der Halle brach keine Panik aus. Noch immer schien lähmendes Schweigen auf den Menschen zu lasten. Sie waren von ihren

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