Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Ohr denen, die sich seine Brüder nannten, die seinen Geist betörten mit ihren Reden. „Eine böse Macht bannt unseren
Herrn, der ein neues goldenes Zeitalter bringen wird,“ umschmeichelten sie ihn. „Schon einmal wollte er sich emporschwingen, um den Menschen ewiges Glück
zu bringen, selbst die Götter flehten, dass er das Hu spreche, um die verdorbene Welt neu zu erschaffen, doch die schwarze Magie arglistiger Zauberer
schlug ihn bis zum heutigen Tag in Fesseln. Nun aber ist seine Zeit gekommen. Das geheime Orakel hat gesprochen. Du bist der einzige, der diese Tat zu
vollbringen vermag. Unser Herr selbst hat dich in den Tempel des Amun gesetzt, hat dich geduldig erzogen, dir Wissen und Stärke geschenkt, um diesen Dienst
für ihn zu verrichten, um ihn zu befreien aus unseligem Bann. Dein Name wird unsterblich werden durch deine mutige Tat, dein Herz für immer in das seine
versenkt.“
Durch die Augen des Tempelpriesters, dessen Herz verloren war in eitler Verblendung, sah Aron die Gewölbe des inneren Tempels, die Säulen, die Statuen im
Dämmerlicht beginnender Nacht, sah die verborgene Pforte, die aufzuschließen dem Hohepriester vorbehalten war, spürte die Angst des jungen Mannes, der den
gestohlenen Schlüssel aus dem Gewand nahm und hineinschlich, sah die schwarze Tafel eingelassen in einen riesigen Monolith, umgeben von der Gewalt
schützender Sprüche. Ein Dreieck in einem Kreis sah er und eine Inschrift in unlesbaren Zeichen. Fremd war dies, nie gesehen unter den Bildern und
Schriften aller Tempel des Reiches, und doch schien es dem Dieb vertraut wie ein Geheimnis des Herzens, das sich nach langer Vergessenheit offenbart. Und
er sah den bannenden Spruch, der neben dem fremden Siegel prangte, der die brennende Macht bändigte und zwang. Vorsichtig setzte er den Meißel an den Rand
des Steins. Mit kurzen, behutsamen Schlägen führte er den Hammer. Schon wollte sich die Platte aus der Wand lösen, als ein Zittern der Hand, ein einziger
ungeschickter Hieb, die Tafel brechen ließ. Gewandt fing er das Stück auf, das sich aus der Wand löste, hielt das fremde Zeichen mit seiner Inschrift in
Händen, die versengt wurden von jäh losbrechender Energie. Fassungslos vor Entsetzen schob er das Stück unter sein Gewand und floh, fühlte es brennen an
seinem Herzen wie glühende Kohle. Wieder verwirrten sich die Bilder, überschnitten sich, splitterten, zeigten, wie der Diener des Amun das Siegel der
Finsternis seinen Brüdern übergab, wie diese ihn verrieten an die Tempelwachen, um sich selbst vor Verfolgung zu schützen, wie er gefasst wurde, wie man
ihn hinschlachtete im grellen Sonnenlicht des Tempelhofes, wie sein Blut in den Sand schoss, wie er starb, den Namen des bösen Gottes als inbrünstiges
Gebet auf den Lippen, blind noch im Tod.
Rasch schritt Aron durch die Räume der Zeit, sah das Reich am lebensspendenden Strom fallen, von fremden Eroberern überrannt, sah die Macht seiner Könige
und Götter sinken. Ohne Bedeutung schien dies im steten Wandel der Welt, wie das Verklingen eines Sommers im Herbst, wie das Kommen und Gehen des Meeres im
Wechsel der Monde. Und wieder sah Aron die Pyramidenkammer der Nokam, sah sich selbst erneut und noch immer verwoben mit der Macht der Finsternis,
unrettbar ihrem Willen ausgeliefert. Verzweiflung ergriff ihn, als die Fäden der Lüge sich erneut um ihn zusammenzogen wie das Netz einer Spinne. Er hörte
das glucksende Lachen des Mahaguru, sah die Augen des Xerck, die steinerne Tafel, zerbrochen und zu neuer Macht erwacht. Langsam begann sich der Panzer um
sein Herz wieder zu schließen, der zerborsten war beim Anblick der furchtbaren Blut speienden Wunde am Halse Walts. Langsam senkte sich Finsternis des
Vergessens auf Aron herab. Die Eishand des Mahaguru griff über Raum und Zeit hinweg nach seinem Herzen. Aron versuchte sie fortzuschieben, wehrte sich mit
allen Kräften, wusste, dass er erneut verloren und gefangen sein würde für viele Zeitalter, wenn er wieder vergaß, wenn sein neu gefundenes Bewusstsein,
seine Einsicht, hinabstürzen würde in die Abgründe kalt glühender Finsternis unter der Brücke. Er sah den klingenscharfen Steg, der hinüberführte zu den
Nokam, in die Stätte der Vernichtung, sah sich selbst tanzen darauf im Heulen des Hju, ein willenloses Werkzeug, eine Karikatur seiner selbst,
eingrinsender Schemen, erfüllt vom Geist eines Nokam, eine Hülle des Bösen. Mit letzter Kraft schrie Aron, um sich dagegen
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