Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
der
Hoffnung, dass es auch ihm einst gelingen würde, die Macht des Be’el zu brechen, eines Tages, in einer anderen Verkörperung. Ben! Wie ein Blitz durchzuckte
es Aron, als er erkannte, dass in diesem endlos fernen Dasein seine Verbindung zu Ben begonnen hatte, in Verachtung und Feindschaft, um sich im Wandel der
Zeitalter zu läutern zu enger Vertrautheit.
Diese Erkenntnis riss neue Räume auf, Bilder, die Aron nie zuvor gesehen, Eindrücke eines anderen Lebens, in dem er dem Amun gedient, dem Herrn von Karnak,
dem Ersten von Theben, dem Urgott, der zuerst entstand, der sich selbst formte, Himmel und Erde erschuf, dem Allherrn, der das Seiende begann. Als
erstgeborener Sohn genoss er das Vertrauen seines Vaters, des Hohepriesters, des Mächtigsten im Reiche neben dem Pharao, der die heiligen Orakel des Amun
sprach, Botschaften, die zu töten oder zu beleben vermochten, die beide Länder Ägyptens erschütterten und auch die Reiche der Fremden, welche zitterten vor
der Macht der gottgleichen Könige. Ausersehen war er, einst selbst die höchsten Einweihungen zu empfangen und zu großer Macht aufzusteigen im Dienste des
Widderköpfigen, der größer war als die Könige, die Söhne des Horus, die an Festtagen in ihren Barken kamen, ihm zu huldigen, größer auch als die Vielheit
der Götter. Er aber zweifelte am Amun, der zuließ, dass seine Priester sich in Intrigen zerfleischten, dass sie nach weltlicher Macht gierten und nach
Einfluss auf den Pharao, dass sie das Volk in Kriege trieben und mit böser Magie ihre Feinde verfolgten. Unermessliche Reichtümer häuften sie in ihren
Schatzhäusern und der Spruch des heiligen Orakels diente nur dazu, ihre Macht zu mehren. Das geheime Zeichen eines anderen Gottes brannte in seinem Herzen,
eines namenlosen Gottes, der schon gewesen war, bevor der verborgene Amun hervorgetreten war in herrlicher Neunheit, eines Gottes, der geherrscht hatte
über mächtige Reiche, die lange schon verschlungen waren von den Fluten des Meeres, auf die das linke Auge des Re im Zorn hinabgestürzt war. Verbannt
hatten ihn die neidischen Götter des neuen Reiches, das am großen Strom erblühte, vergessen war sein Name seither bei den Menschen. In Legenden, unter
gewandelten Namen nur klang seine Stärke nach und doch war die Macht des majestätischen Amun bloß Schattenspiel verglichen mit der seinen, die geduldig
abwartete, bis uralte Prophezeiungen sich erfüllten, bis er wieder aufsteigen würde zu seinem angestammten Platz im Zenit des Himmels, um allen Kriegen,
aller Not, allem Streit der Priester und Könige ein Ende zu setzen. Vor langer Zeit war er verstoßen und gebannt worden, lebte fort nur in verborgenen
Bildern, doch die Zeit seines Leids war eine Zeit der Läuterung, auch sie vorhergesagt in geheimen Sprüchen, eine Zeit, in der zähe Stärke in ihm reifte.
Von ganzem Herzen glaubte der junge Priester des Tempels an diesen Gott, wusste, dass er durch mächtige Kräfte mit ihm verbunden war, die von jenseits der
Zeit zu fließen schienen. So schlich nicht der Hauch eines Zweifels in sein Herz, als er heimliche Botschaft von jenen erhielt, die er seine Brüder nannte,
die gleich ihm dem namenlosen Gott, der alle Götter übertraf, ergeben waren. Ein Schaudern aber durchlief ihn, als er begriff, was sie von ihm forderten –
das Siegel der Macht aus der geheimen Kammer des Tempels. Was in dem verbotenen Gelass eingeschlossen war, galt den Hohepriestern des Amun als Urgrund des
Bösen, als Auswurf des Apophis, als Siegel der Finsternis, als versteinerte Flamme der Hetemit, mühsam gebannt durch Machtworte des Amun. Selbst unter den
Priestern wusste kaum einer von der Existenz dieses Siegels aus den Zeiten der Götterkönige, das seit Jahrhunderten eingelassen ruhte in der Wand eines
streng verschlossenen Raumes – eine schwarze Tafel mit unheimlichen Zeichen, die niemand zu deuten vermochte, von deren Macht aber dunkle Sagen unter den
wenigen gingen, die Kunde von ihm bewahrten. Sein Vater hatte ihm berichtet davon in kargen, düsteren Worten, hatte prophezeit, die Barke des Re würde die
Urfinsternis der Dat nie wieder verlassen, würde nie wieder emporsteigen am östlichen Horizont, würde für immer vernichtet vom Gift des Apophis, hütete
Amun nicht den Schlüssel zu den geheimen Toren der Hetemit. Gebannt war das Unheil durch Amuns Ausspruch, der neben den fremden Zauberworten eingemeißelt
war von Götterhand.
Doch der junge Priester lieh sein
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