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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sagt, sie hätten alles verlassen, um ihm zu folgen).
    Doch auch in der anderen Art und Weise könne man weltliche Güter haben, nämlich im Hinblick auf die gemeinsame brüderliche Barmherzigkeit, und in diesem Modus hätten Christus und seine Jünger Dinge gehabt aus natürlichem Recht, welches Recht von manchen ius poli genannt werde, also ein Recht des Himmels, das die Natur durchwalte, die ohne menschliche Zutat gleichklingend sei mit der rechten Vernunft (im Gegensatz zum ius fori als der Verfügungsgewalt, die abhängig sei von menschlicher Übereinkunft). Vor der ersten Teilung der Dinge nämlich seien, was den Besitz und die Herrschaft betreffe, alle Güter gewesen wie heute nur jene, die keinem gehören und sich einem jeden darbieten, der nach ihnen greift; in gewissem Sinne seien sie also Gemeineigentum aller Menschen gewesen, und erst nach dem Sündenfall hätten unsere Urahnen angefangen, sich das Eigentum an den Dingen zu teilen, und damit hätten die weltlichen Herrschaften, wie wir sie heute kennen, begonnen. Aber Christus und die Apostel hätten die Dinge nur in der ersten Weise besessen, so und nicht anders hätten sie ihre Kleidung gehabt und das Brot und die Fische, und wie Paulus im ersten Brief an Timotheus schrieb: Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so seien wir's zufrieden. Mithin hätten Christus und seine Jünger die Dinge nicht im Besitz gehabt, sondern im Nießbrauch , so daß ihre Armut dadurch in keiner Weise geschmälert worden sei. Wie es bekanntlich auch schon Papst Nikolaus II. anerkannt habe in seiner Dekretalepistel Exiit qui seminat .
    Auf der Gegenseite erhob sich nun Jean d'Anneaux und sagte, seines Erachtens verstießen die Ansichten Ubertins gegen die rechte Vernunft und gegen die rechte Auslegung der Heiligen Schrift. Alldieweil man bei Gütern, die durch den Gebrauch vernutzt oder aufgezehrt werden, wie eben bei Brot und Fisch, nicht von bloßem Nutzungsrecht sprechen könne, auch gebe es da keinen faktischen Nießbrauch, sondern nur Mißbrauch. Alles, was die Gläubigen in der Urkirche als Gemeineigentum gehabt hätten, wie aus Acta zwei und drei zu entnehmen, sei ihnen eigen gewesen aufgrund derselben Art von Verfügungsgewalt, die sie vor ihrer Bekehrung innegehabt; die Apostel hätten auch nach der Niederkunft des Heiligen Geistes Güter in Judäa besessen; das Gelübde, ohne Besitz zu leben, erstrecke sich nicht auf die Dinge, derer der Mensch zum Weiterleben bedarf, und als Petrus sagte, er habe alles verlassen, habe er damit nicht sagen wollen, er habe auf alles Eigene verzichtet. Adam sei Besitzer und Eigentümer der Dinge im Paradies gewesen; der Knecht, der Geld annehme von seinem Herrn, mache davon gewiß weder Nieß- noch Mißbrauch; die Worte der Exiit qui seminat , auf welche die Minoriten sich ständig beriefen und derzufolge die Minderen Brüder nur den Nießbrauch, nicht aber den Besitz und das Eigentum an den von ihnen benutzten Dingen hätten, bezögen sich nicht auf die Dinge, die durch den Gebrauch verzehrt werden, und hätte die Exiit auch die verderblichen Güter mit einbezogen, so hätte sie etwas Unmögliches behauptet. Der faktische Nießbrauch lasse sich nicht vom juridischen Besitz unterscheiden; jedes menschliche Recht, kraft dessen man materielle Güter besitze, sei eingeschlossen in den Gesetzen der Könige; Christus als sterblicher Mensch sei vom Augenblick seiner Empfängnis an Besitzer und Eigentümer aller irdischen Dinge gewesen, und als Gott habe er vom Vater die unbeschränkte Verfügungsgewalt über alles erhalten; er sei mithin Eigentümer von Kleidung und Nahrung gewesen, auch von Geldern aus den Spenden der Gläubigen, und wenn er arm gewesen, so nicht aus Mangel an Eigentum, sondern weil er die Früchte seines Eigentums nicht genoß. Alldieweil nämlich der bloße Besitztitel, losgelöst von der Eintreibung anfallender Zinsen, seinen Inhaber nicht reich mache; und schließlich, selbst wenn die Exiit etwas anderes gesagt habe, könne der römische Pontifex in Fragen des 216
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    Glaubens und der Moral jederzeit die Entscheidungen seiner Vorgänger widerrufen, ja in ihr Gegenteil verkehren.
    An diesem Punkt sprang Bruder Hieronymus, der Bischof von Kaffa, sichtlich erregt auf und begann, während sein Bart vor Wut zitterte, mochten auch seine Worte sich konziliant zu geben versuchen, mit einer Argumentation, die mir recht konfus zu sein schien. »Was ich dem Heiligen Vater zu sagen gedenke«, rief er

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