Die Jaeger
Gehetzt
In den folgenden Stunden kroch nichts Unheimliches aus der Erde von Mullendorf – eine kleine Feldmaus und einen Maulwurf würde ich jedenfalls nicht dazu zählen. Es lag auch nichts Bedrohliches in der Luft und hinderte uns an der Flucht. Nichts Unnatürliches oder Geheimnisvolles geschah. Wenn man von einem Ereignis absah, das wiederum nur mich betraf. Es passierte mitten beim Laufen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass die Erde dröhnte. Sie vibrierte und schrie, so dass ich zu Boden fiel. Und ich sah auf einmal ein Flimmern in der Luft. Ich versuchte aufzustehen, doch es ging nicht, meine Beine fanden den Boden nicht. Ich strampelte wie eine Ertrinkende, die nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Ich fühlte mich auf einmal so schwindelig, dass sich der Himmel über mir drehte und ich mich übergeben musste. Ich wusste nicht, ob es vom schnellen Laufen kam oder von dem fremden Blut, das in meinen Adern kreiste. Oder von den Ereignissen des Tages, die mich regelrecht übermannt hatten. Es dauerte jedenfalls einige Minuten, bis ich wieder klar sehen und oben von unten unterscheiden konnte. Leif und Robert waren besorgt stehengeblieben, doch sie konnten nichts für mich tun, nur abwarten, bis es mir wieder besser ging.
Als ich schließlich wieder fit genug war, stürmten wir weiter durch den Wald, bis wir atemlos eine weitere Pause einlegen mussten. Das heißt, wieder einmal war ich es, die die Pause brauchte, meine beiden Begleiter Leif und Robert hatten noch jede Menge Reserven. Es war mir ein Rätsel, wie die Vampire das hinbekamen, sich so schnell zu erholen. Robert war eben niedergeschlagen worden, doch kaum wieder bei Bewusstsein, lief er über Stock und Stein wie ein übermütiges Fohlen, als wäre nie etwas gewesen. Und Leif war in der alten Mühle ohnehin nichts passiert, so dass er wahrscheinlich bis Alaska hätte weiterlaufen können, wenn ich, die menschliche Bremse, nicht verzweifelt nach Luft schnappend die beiden aufhalten würde.
»Ich kehre nach Mullendorf zurück«, sagte ich zu Leif und Robert, sobald ich wieder genügend Luft bekam, um einen zusammenhängenden Satz ohne Keuchen zu formulieren.
»Auf keinen Fall«, erwiderte Robert. »Du wirst unter Mordverdacht stehen und verhört werden. Wie willst du ihnen denn erklären, was mit dem Mann passiert ist? Du kannst ihnen nicht erzählen, dass er dich bedroht hat, wenn du keine einzige Verletzung mehr vorzuweisen hast.«
Die Wunden, die mir Matze zugefügt hatte, waren tatsächlich alle nahezu vollständig verheilt. Niemand würde mir glauben, dass ich am Rand des Todes gestanden hatte.
Trotzdem.
»Ich werde sagen, dass ich ihm entkommen bin. Wenn ich noch ein Weilchen durch den Wald laufe, bin ich erschöpft und verzweifelt genug, dass sie mir das glauben. Und ich werde ihnen erzählen, dass er gestanden hat, die Morde begangen zu haben. Dass ich ihm das Genick gebrochen haben könnte, werden sie ohnehin niemals ernsthaft annehmen. Mir kann nichts passieren.«
»Sie werden dir dennoch viele Fragen stellen, meinst du, du hältst das durch?«
Leif sah mich skeptisch mit zusammengezogenen Augenbrauen an, als würde er im Geist schon die Folterwerkzeuge und meine herausgerissenen Fingernägel sehen.
»Ich bin das Opfer, das muss ich ihnen nur klarmachen, und das kann ich, denke ich.« Ich versuchte ein Grinsen, doch es war wohl nicht überzeugend genug, denn Robert schüttelte energisch den Kopf.
»Dann komme ich mit.«
»Bist du verrückt?«, zischte Leif. »Dann wissen sie genau, wer den Kerl auf dem Gewissen hat, nämlich ich, weil ich der einzige bin, der abgehauen ist.«
»Jeder, der verschwindet, ist verdächtig. Sie werden uns hetzen, bis sie uns erledigt oder ins Reservat gebracht haben, was im Prinzip auf dasselbe hinauskommt.«
»In Südafrika soll der Staatspräsident ein Vampir sein, habe ich gelesen«, erwiderte Leif. »Vielleicht schaffe ich es bis da runter.«
»Wo hast du das gelesen?«, knurrte Robert unwillig. »In einer deiner Zeitungen? Ich will nicht nach Afrika.«
»Das ist die Wiege der Menschheit und auch der Vampirwelt. Du solltest es zumindest in Betracht ziehen. Hier haben wir keine Zukunft mehr, sobald sie auf unserer Spur sind.«
»Dann dürfen sie eben nicht auf eure Spur kommen«, mischte ich mich ein. »Wieso sollten sie auch? Matzes Leiche weist überhaupt nicht auf euch hin, es gibt keine Vampirbisse. Ich erzähle ihnen, was er mir gebeichtet hat, nämlich dass er Leonie und seine Frau
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