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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Zeit, eine Stunde vor Vesper, noch ganz leer gewesen sei.
    Der Abt erschien und sah uns mit Nicolas reden. »Bruder William, fahndet Ihr immer noch?« fragte er, bat jedoch meinen Meister wie üblich an seinen erhöhten Tisch. Die Gastlichkeit der Benediktiner ist heilig.
    Das Mahl verlief schweigsamer als gewöhnlich und in gedrückter Stimmung. Abbo stocherte lustlos in seinem Teller herum, sichtlich von trüben Gedanken geplagt. Am Ende mahnte er alle, sich rasch zur Komplet zu begeben.
    Alinardus und Jorge fehlten noch immer. Flüsternd zeigten die Mönche einander den leeren Platz des 282
    Der Name der Rose – Sechster Tag
    Blinden. Nach dem Schlußgebet forderte der Abt die versammelten Mönche auf, ein besonderes Gebet für das Heil ihres Mitbruders Jorge von Burgos zu sprechen. Er ließ offen, ob er das leibliche oder das seelische Heil des Vermißten meinte, und alle begriffen, daß sich ein neues Unheil über dieser geschlagenen Gemeinde zusammenbraute. Danach befahl der Abt allen, sofort in ihre Zellen zu gehen. Niemand, sagte er und betonte das Wort mit großem Nachdruck, niemand dürfe noch aufbleiben und sich außerhalb des Dormitoriums bewegen! Als erste strömten die verängstigten Novizen hinaus, gesenkten Kopfes, die Kapuzen übergezogen, ohne das übliche leise Getuschel, Gezische, Gelächter und heimliche Geknuffe, mit dem sie einander sonst zu necken pflegten (denn Novizen sind, wiewohl angehende Mönche, im Grunde immer noch Kinder, und trotz der Rügen ihrer gestrengen Meister benehmen sie sich, ihrem zarten Alter gemäß, oft kindisch).
    Als die Erwachsenen aus der Kirche gingen, mischte ich mich unauffällig unter die Gruppe derer, die ich längst als »die Italiener« zu betrachten pflegte. Pacificus raunte gerade zu Aymarus: »Glaubst du, daß Abbo wirklich nicht weiß, wo Jorge steckt?« Und Aymarus raunte zurück: »Wer weiß, vielleicht weiß er es sehr genau, vielleicht weiß er sogar, daß Jorge von dort, wo er steckt, niemals wiederkehren wird . . . Vielleicht hat der Alte zuviel gewollt, und nun hat Abbo genug von ihm . . .»
    Während William und ich so taten, als ob wir brav ins Pilgerhaus gingen, sahen wir, wie der Abt durch die noch unverschlossene Pforte des Refektoriums ins Aedificium schlüpfte. William wartete eine Weile und horchte. Dann, als sich weit und breit nichts mehr rührte, winkte er mir. Rasch eilten wir über den leeren Hof zurück in die Kirche.
    283
    Der Name der Rose – Sechster Tag
    SECHSTER TAG
    NACH KOMPLET
    Worin William sozusagen durch puren Zufall entdeckt, wie man ins Finis Africae eindringt.
    Wir schmiegten uns wie zwei finstere Meuchelmörder nahe dem Hauptportal an eine Säule, von wo aus wir gut die linke Seitenkapelle mit dem Schädelaltar beobachten konnten.
    »Abbo ist ins Aedificium gegangen, um es für die Nacht zu verschließen«, flüsterte William. »Wenn er die Pforten von innen verriegelt hat, kann er nur durchs Ossarium herauskommen.«
    »Und dann?«
    »Dann werden wir sehen, was er tut.«
    Wir sahen es leider nicht. Nach einer vollen Stunde war Abbo immer noch nicht erschienen. Er könnte ins Finis Africae gegangen sein, meinte ich. Schon möglich, sagte mein Meister. Bereit, eine ganze Reihe von Hypothesen aufzustellen, äußerte ich die Vermutung, er sei vielleicht noch einmal durchs Refektorium hinausgegangen, um Jorge zu suchen. Auch das sei möglich, sagte mein Meister.
    »Vielleicht ist Jorge schon tot«, spekulierte ich weiter. »Vielleicht ist er im Aedificium und tötet gerade den Abt. Vielleicht sind beide woanders hinausgegangen, und ein Dritter lauert ihnen jetzt gerade irgendwo auf. Was führen die Italiener im Schilde? Und warum war Benno vorhin so verängstigt? Ist seine Angst womöglich nur eine Maske, die er sich aufgesetzt hat, um uns zu täuschen? Warum hat er sich während des Vespergottesdienstes im Skriptorium zu schaffen gemacht, wo er doch, weder wußte, wie man es schließt, noch wie man es dann verläßt? Wollte er etwa das Labyrinth erkunden?«
    »All das ist möglich«, sagte William. »Aber nur eins davon ist geschehen oder wird geschehen oder geschieht gerade. Und in jedem Falle schenkt uns Gottes Barmherzigkeit jetzt eine schöne Gewißheit.«
    »Welche?«
    »Daß Bruder William von Baskerville, der inzwischen alles begriffen zu haben glaubt, leider noch immer nicht weiß, wie man ins Finis Africae eindringt. Zu den Pferden, Adson, zu den Pferden!«
    »Und wenn uns der Abt begegnet?«
    »Tun wir, als

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