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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verriegelt wird … Was den Grund betrifft … nun, der spielt keine Rolle, du hast selber gesagt, daß du mich nicht wegen der Schwäche meines Fleisches verfolgen willst …« Er lachte verlegen. »Denk aber bitte jetzt nicht, daß ich meine ganze Zeit mit unkeuschem Treiben verbringe. An jenem Abend suchte ich Lebensmittel, um sie dem Mädchen zu geben, das Salvatore hereinbringen sollte.«
    »Durch welchen Eingang?«
    »Oh, es gibt neben dem Tor noch andere Eingänge in der Umfassungsmauer. Der Abt kennt sie, ich kenne sie … Aber das Mädchen kam an dem Abend gar nicht herein, ich schickte sie zurück wegen dem, was ich entdeckt hatte und dir gerade erzähle. Deswegen wollte ich sie ja heute nacht wiedersehen; wenn ihr etwas später in die Küche gekommen wärt, hättet ihr mich dort gefunden statt Salvatore. Er war es nämlich, der mich gewarnt hatte, daß jemand in der Küche sei, und so war ich in meiner Zelle geblieben …«
    »Komm zurück zu der Nacht von Sonntag auf Montag.«
    »Tja, also ich trat in die Küche, und da sah ich Venantius auf dem Boden liegen: tot.«
    »In der Küche?«
    »Ja, nahe dem Abfluß. Er war vielleicht gerade aus dem Skriptorium gekommen.«
    »Keine Spuren von einem Kampf?«
    »Keine. Nur eine zerbrochene Tasse neben dem Toten. Und Spuren von Wasser.«
    »Woher weißt du, daß es Wasser war?«
    »Ich weiß es nicht. Ich dachte es nur. Was sollte es sonst gewesen sein?«
    Zweierlei konnte die Tasse bedeuten, wie mir William später erklärte: Entweder hatte jemand dort in der Küche dem Ärmsten einen Gifttrank gegeben, oder Venantius hatte das Gift bereits vorher geschluckt (aber wo? und wann?) und war dann in die Küche geeilt, um einen Schluck Wasser zu trinken, vielleicht weil er ein plötzliches Brennen verspürte, einen Krampf, einen stechenden Schmerz in den Eingeweiden oder auf der Zunge (die bei ihm sicher genauso schwarz war wie bei dem toten Berengar).
    In jedem Falle war vorerst nicht mehr zu erfahren. Als Remigius den Toten gefunden hatte, fragte er sich erschrocken, was er tun sollte, und beschloß, am besten gar nichts zu tun: Hätte er um Hilfe gerufen, so wäre herausgekommen, daß er sich nachts im Aedificium herumtrieb, und dem toten Mitbruder hätte es ohnehin nichts geholfen. So hatte er alles liegengelassen und abgewartet, daß jemand den Toten am nächsten Morgen fände. Er war zu Salvatore geeilt, der gerade das Mädchen einschleusen wollte, und dann hatten sich die beiden, der Cellerar und sein Komplize, wieder schlafen gelegt – wenn man ihr erregtes Wachbleiben bis zur Mette so nennen kann. Als dann während der Mette die Schweinehirten dem Abt die grausige Nachricht brachten, hatte Remigius natürlich geglaubt, die Leiche sei in der Küche gefunden worden, so daß er aufs höchste erstaunt war, als er sie aus dem Blutbottich ragen sah. Wer mochte sie dorthin geschafft haben? Auf diese Frage wußte er keine Antwort.
    »Der einzige, der sich frei im ganzen Aedificium bewegen kann, ist Malachias«, meinte William.
    Der Cellerar protestierte energisch: »Nein, Malachias war es nicht! Das heißt, ich glaube es nicht … Jedenfalls wirst du von mir nichts Schlechtes über ihn hören!«
    »Beruhige dich, was immer es sein mag, das dich an Malachias bindet. Weiß er etwas über dich?«
    »Ja«, nickte Remigius errötend. »Und er hat sich stets sehr diskret verhalten … Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich ein Auge auf Benno haben. Er unterhielt recht merkwürdige Beziehungen zu Berengar und Venantius … Sonst habe ich aber nichts gesehen, ich schwöre es dir! Sollte ich etwas Neues erfahren, so werde ich es dir sofort sagen.«
    »Für heute mag es genug sein. Ich werde auf dich zurückkommen, wenn es nötig ist.«
    Erleichtert kehrte der Cellerar an seine Arbeit zurück und schalt die Dörfler, die in der Zwischenzeit eine Reihe von Säcken mit Saatgut fortgeschafft hatten.
    Im selben Moment erschien Severin und brachte die Augengläser, die meinem Meister geraubt worden waren. »Ich fand sie in Berengars Kutte«, erklärte er. »Nicht wahr, du trugst sie vorgestern im Skriptorium, es sind doch deine?«
    »Gelobt sei der Herr!« rief William hocherfreut aus. »Damit sind zwei Probleme auf einmal gelöst: Ich habe meine Linsen wieder, und wir wissen jetzt zweifelsfrei, daß Berengar der Dieb war!«
    Wir hatten kaum das Gespräch beendet, als Meister Nicolas von Morimond gelaufen kam, in der Hand triumphierend ein Paar fertige Augengläser, säuberlich

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