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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auf die Gabel montiert. »Bruder William«, rief er stolz, »seht her, ich habe sie ganz alleine gemacht, ich glaube, sie funktionieren!« Dann sah er die alten Linsen auf Williams Nase und blieb wie versteinert stehen. William wollte ihn nicht verletzen, nahm sich die alten Linsen ab und verglich sie sorgfältig mit den neuen. »Deine sind besser«, sagte er schließlich. »Ich werde sie künftig immer tragen und die alten nur als Reserve benutzen.« Dann wandte er sich zu mir: »Adson, ich werde mich jetzt in meine Zelle zurückziehen, um die bewußten Papiere zu lesen, du weißt schon, welche. Endlich! Wir sehen uns später. Und seid bedankt, seid alle herzlich bedankt, ihr lieben Brüder!«
    Sprach's und schritt eilends davon. Es schlug zur dritten Stunde, und so begab ich mich in den Chor, um mit den anderen den Hymnus, die Psalmen, den Vers und das Kyrie zu singen. Die anderen beteten für die Seele des toten Berengar, ich dankte Gott für die zwei Paar Linsen.
    Die ernste Feierlichkeit der Gesänge ließ mich die vielen schrecklichen Dinge vergessen, die ich in den letzten Stunden gehört und gesehen. Sanft nickte ich ein, um erst wieder aufzuwachen, als der Gottesdienst endete. Ich spürte auf einmal, daß ich die ganze Nacht lang kein Auge zugetan hatte, und machte mir Sorgen über den großen Verschleiß meiner Kräfte. Dann, als ich ins Freie trat, überfiel mich heiß die Erinnerung an das Mädchen.
    Ich versuchte, an andere Dinge zu denken, und eilte schnellen Schrittes über den Hof. Ein leichtes Schwindelgefühl erfaßte mich. Ich schlug die klammen Hände zusammen, ich stampfte fest mit den Füßen auf, vergebens. Mir war immer noch schläfrig zumute, zugleich aber fühlte ich mich auf seltsame Weise hellwach und voller Leben. Was war mit mir los?

TERTIA
    Worin Adson sich in den Schmerzen der Liebe windet, bis William mit dem Text des Venantius kommt, der allerdings, wenngleich entziffert, weiterhin unverständlich bleibt.
    In Wahrheit hatte ich, nach meinem Sündenfall mit dem Mädchen, über den anderen schlimmen Ereignissen jener Nacht den Casus schon fast vergessen gehabt, zumal die Beichte vor William meine Seele sogleich erleichtert hatte von den Gewissensbissen, die ich beim Erwachen nach meinem Fehltritt empfunden, so daß mir gewesen war, als hätte ich mit den Worten die Bürde selbst, deren sprachlicher Ausdruck sie waren, dem Bruder anvertraut. Denn wozu dient die heilsame Wohltat der Beichte, wenn nicht zur Entlastung des Sünders von seiner bedrückenden Sündenlast, die er beichtend der Gnade Unseres Herrn übergibt, auf daß ihm mit der Vergebung die Seele von neuem luftig und leicht werde und er den vom Übel gemarterten Leib vergessen kann? – Indes, ich hatte mich ganz und gar nicht befreit. Denn während ich mich in der fahlen und kalten Sonne jenes winterlichen Morgens erging, umgeben vom geschäftigen Treiben der Menschen und Tiere, kamen mir die Ereignisse jener Nacht erneut in den Sinn, doch auf andere Weise, als wären von allem, was da geschehen war, nicht mehr die Reue und die tröstenden Worte der Absolution geblieben, sondern lediglich Bilder von menschlichen Körpern und Gliedern. Zuerst überfiel das Schreckbild der aufgedunsenen Wasserleiche meine erregte Seele, und ich erschauerte vor Entsetzen und Mitleid. Dann, wie um diesen Lemur zu fliehen, wandte mein Geist sich anderen Bildern zu, die mir frisch im Gedächtnis hafteten, und so erschien unwillkürlich, doch unabweisbar vor meinem inneren Auge (dem Auge der Seele, aber mit einer Klarheit, als ob ich's leibhaftig vor mir sähe) das Bild des Mädchens, schön und schrecklich wie eine waffenstarrende Heerschar.
    Ich habe mir vorgenommen (als greiser Amanuensis eines niemals zuvor geschriebenen Textes, der jedoch seit Jahrzehnten in meinem Geiste umgeht), ein getreuer Chronist zu sein, nicht nur aus Liebe zur Wahrheit und um meine künftigen Leser zu belehren (was ja durchaus ein höchst ehrenwertes Bestreben ist), sondern auch um mein welkes und müdes Gedächtnis von Visionen zu befreien, die mir mein ganzes Leben lang zugesetzt haben. Infolgedessen muß ich die ganze Wahrheit sagen, dezent, aber ohne falsche Scham. Und hier nun muß ich in klaren Worten berichten, was mir damals im Kopf herumging, ohne daß ich es selber recht wahrhaben wollte, während ich unstet durch die Abtei lief, bald in raschem Trab, um die Bewegungen meines Körpers mit dem heftigen Pochen meines Herzens in Einklang zu bringen, bald

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