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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sein, und da sie geschlossen waren und mir noch nie, nicht einmal in Hexenprozessen, ein sündhaft aus dem Leben Geschiedener begegnet ist, dem Gott oder der Teufel es gestattet hätten, aus der Tiefe wieder heraufzuspringen, um die Spuren seiner sündigen Tat zu verwischen, liegt es auf der Hand, daß der vermeintliche Selbstmörder wohl in Wahrheit eher gestoßen worden sein muß, sei's von der Hand eines Menschen oder von der eines Dämons. Und nun fragt Ihr Euch, wer das gewesen sein mag, der den armen Bruder Adelmus, ich will nicht sagen hinuntergestürzt, aber doch mindestens irgendwie seines Willens beraubt und dann, vielleicht in betäubtem Zustand, auf das Fenstersims gehievt haben könnte, und Ihr seid bestürzt, weil offenbar eine böse Macht, sei sie natürlich oder übernatürlich, nun in der Abtei umgeht.«
    »So ist es …«, gab der Abt zu, und es war nicht ganz klar, ob er damit Williams Worte bestätigte oder sich selber Rechenschaft über die Richtigkeit dessen ablegte, was mein kluger Meister so scharfsinnig dargelegt hatte. »Aber woher wißt Ihr, daß wir unter keinem der Fenster Wasserspuren fanden?«
    »Weil Ihr mir gesagt habt, daß in jener Nacht ein heftiger Nordwind tobte. Folglich konnte das Wasser nicht gegen Fenster gedrückt werden, die sich nach Osten öffnen.«
    »Wahrlich, man hat mir noch nicht genug berichtet von Eurem Scharfsinn«, rief der Abt aus. »Ihr habt recht, es war tatsächlich kein Wasser da, und nun weiß ich auch, warum. Es hat sich alles so zugetragen, wie Ihr sagt. Versteht Ihr jetzt meine Besorgnis? Es wäre schon schlimm genug, wenn einer meiner Mönche sich mit der schrecklichen Sünde des Suizids befleckt hätte. Aber ich habe Grund zu der Annahme, daß ein anderer von ihnen sich mit einer mindestens ebenso schrecklichen Sünde befleckt hat. Und wenn es nur das wäre …«
    »Wieso meint Ihr, es müsse einer der Mönche gewesen sein? In Eurer Abtei leben doch auch zahlreiche andere Menschen, Stallburschen, Ziegenhirten, Knechte …«
    »Gewiß, es ist zwar eine kleine, aber reiche Abtei«, nickte der Abt mit unverhohlenem Stolz. »Hundertfünfzig Knechte für sechzig Mönche. Aber die Sache hat sich im Aedificium zugetragen. Im Aedificium befinden sich, wie Ihr vielleicht schon wißt, zwar unten die Küche und das Refektorium, aber in den beiden Obergeschossen das Skriptorium und die Bibliothek. Nach dem Abendmahl wird das ganze Gebäude geschlossen, und eine strenge Regel verbietet jedem, es zu betreten.« Die Frage Williams erratend, fügte er rasch hinzu: »Auch den Mönchen, aber …«
    »Aber?«
    »Aber ich halte es für ausgeschlossen, ganz und gar ausgeschlossen, versteht Ihr, daß einer der Knechte den Mut aufbrächte, das Aedificium nachts zu betreten.« Ein Anflug von herausforderndem Lächeln blitzte in seinen Augen auf, erlosch aber sogleich wieder. »Sagen wir: sie hätten viel zu große Angst, wißt Ihr … Manchmal müssen Verbote für die Laien mit einer gewissen Drohung unterstrichen werden, etwa mit der Voraussage, daß dem Ungehorsamen etwas Schreckliches widerfahren könnte, etwas Übernatürliches selbstverständlich. Ein Mönch dagegen …«
    »Verstehe.«
    »Nicht nur, was Ihr meint. Ein Mönch könnte noch andere Gründe haben, sich an einen verbotenen Ort zu wagen. Gründe, die – wie soll ich sagen? – die begründet sein mögen, wenn auch wider die Regel …«
    William bemerkte das Unbehagen des Abtes und warf eine Frage ein, die ihm wohl aus der Klemme helfen sollte, aber sein Unbehagen nur noch verstärkte: »Als Ihr eben von der Möglichkeit eines Mordes spracht, sagtet Ihr: Und wenn es nur das wäre. Was meintet Ihr damit?«
    »Sagte ich das? Nun ja, man tötet nicht ohne einen Grund, wie pervers er auch sein mag, und ich zittere bei dem Gedanken an die Perversität der Gründe, die einen Mönch dazu bewegen können, einen Mitbruder umzubringen. Das meinte ich.«
    »Sonst nichts?«
    »Nichts, was ich Euch sagen könnte.«
    »Meint Ihr damit: Nichts, was Ihr mir sagen dürftet?«
    »Ich bitte Euch, Bruder William, Frater William!« Der Abt betonte beide Anreden gleichermaßen. William errötete heftig und murmelte:
    » Eris sacerdos in aeternum. « 11
    »Danke«, antwortete der Abt.
    Oh, mein Gott, welch schreckliches Geheimnis war es, an das meine beiden unvorsichtigen Herren in diesem Augenblick rührten, der eine von Angst getrieben und der andere von Neugier? Denn wiewohl erst Novize und noch auf dem Wege zu den Mysterien des

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