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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Es sah wie Nebel aus, und vielleicht stiegen auch wirklich Nebelschwaden aus der Tiefe empor, doch auf dieser Höhe war es schwer, die aufsteigende Feuchtigkeit von der herabsinkenden zu unterscheiden. Schon waren die weiter entfernten Gebäude kaum noch zu erkennen.
    Unweit im Hof sah ich Severin, der gerade dabei war, mit munteren Gesten und fröhlichen Rufen die Schweinehirten und einige ihrer Tiere zu versammeln. Er sagte mir, daß sie ausrücken wollten, um an den Hängen des Berges und drunten im Tal nach Trüffeln zu suchen. Mir war diese köstliche Frucht des Waldbodens damals noch unbekannt, aber der Meister Botanikus sagte, daß sie, auf verschiedene Weise zubereitet, ein höchst wohlschmeckendes Gericht ergebe und geradezu eine Spezialität der benediktinischen Ländereien auf der Apenninhalbinsel sei, sowohl – als schwarze Trüffel – drunten in Norcia wie auch – heller und würziger – in jener Gegend. Auch erklärte mir Severin, daß sie überaus schwer zu finden sei, da sie unter der Erde wachse, besser verborgen als jeder andere Pilz, und nur die Schweine seien imstande, sie mit Hilfe ihres Geruchssinnes aufzuspüren. Allerdings wollten die Schweine dann, wenn sie fündig geworden, die Trüffel immer sofort verschlingen, weshalb man rasch eingreifen und sie wegdrängen müsse. Später erfuhr ich, daß die Trüffeljagd in Italien ein Vergnügen ist, dem sich auch viele Herren von Adel gern verschreiben, wobei sie dann ihren Schweinen folgen, als wären es edle Jagdhunde, ihrerseits von Dienern mit Schaufeln und Körben gefolgt. Ich entsinne mich auch, wie einmal – es war ein paar Jahre nach den Ereignissen, die ich hier schildere – ein Edelmann aus meiner Heimat mich fragte, ob ich auf meinen Reisen durch Italien niemals adlige Herren beim Schweinehüten gesehen hätte. Er meinte natürlich die Trüffeljagd, und ich mußte lachen. Als ich ihm daraufhin erklärte, daß diese Herren mit ihren Schweinen »tartufi« unter der Erde suchten und anschließend voller Genuß verspeisten, erbleichte der Gute und bekreuzigte sich erschrocken, denn er hatte »der Teifi« verstanden. Ich konnte das Mißverständnis rasch klären, und wir mußten beide herzlich darüber lachen. Aber so groß ist eben die Magie der menschlichen Sprachen, daß sie aufgrund einer menschlichen Übereinkunft häufig sehr verschiedene Dinge mit ganz ähnlichen Lauten bezeichnen.
    Severins Vorbereitungen hatten meine Neugier geweckt, und so beschloß ich, mit den Trüffeljägern hinunter ins Tal zu gehen – auch weil ich begriff, daß er dieses Unternehmen in Angriff nahm, um die traurigen Vorfälle in der Abtei zu vergessen, die uns alle bedrückten. Ich dachte mir, wenn ich ihm helfen würde, seine trüben Gedanken zu vergessen, könnte ich damit vielleicht auch die meinen, wenn nicht überwinden, so doch zumindest eine Zeitlang zurückdrängen. Auch will ich nicht verhehlen (da ich nun einmal beschlossen habe, die ganze Wahrheit zu sagen), daß mich insgeheim der Gedanke verlockte, ich könnte womöglich drunten im Tal einer gewissen Person begegnen, über die ich nicht weiter sprechen will. Mir selbst indes und gleichsam mit lauter Stimme versicherte ich – da wir schließlich an jenem Tage die Ankunft der beiden Legationen erwarteten –, ich könnte womöglich drunten einer der beiden begegnen.
    Während wir den steilen Kehrweg hinunterstiegen, wurde die Luft mit jedem Schritt klarer. Nicht daß die Sonne hervorgetreten wäre, der Himmel war immer noch wolkenverhangen, aber die Dinge wurden erkennbarer, denn der Nebel blieb über unseren Köpfen hängen. Als ich einmal auf halber Höhe zurückschaute, um den Gipfel des Berges zu betrachten, sah ich nichts mehr: Der ganze obere Teil des Felsmassivs, das Hochplateau, das Aedificium, alles war in den Wolken verschwunden.
    Am Morgen unserer Ankunft vor drei Tagen, als wir den Kehrweg erklommen, hatten wir von einigen Punkten aus noch das Meer sehen können, kaum zehn Meilen entfernt. Unsere Wanderung durch die Berge war reich an Überraschungen gewesen, bald hatten wir uns wie auf einer Terrasse hoch über blauen Buchten befunden, bald waren wir, wenig später, in tiefe Schluchten gelangt, wo schroff aufragende Felsen uns jeden Blick auf das ferne Meer verstellten, während die Sonne nur mühsam bis auf den Grund hinabdrang. Nirgendwo sonst in Italien hatte ich ein so dichtes Ineinander von Küsten und Berglandschaften gesehen, und im Heulen des Windes, der durch die

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