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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Anblick der Frau. All diese Anmut besteht nur aus Schleim und Blut und Körpersäften und Gallert. Wenn du bedenkst, was in den Nasenlöchern, im Hals und im Bauche steckt, so findest du nichts als ekligen Auswurf. Und wenn es dich ekelt, mit den Fingerspitzen den Schleim oder Kot zu berühren, wie kannst du dann jemals begehren, die Hülle um all diesen Kot zu umarmen?«
    Mich überkam ein würgender Brechreiz, ich wollte kein Wort mehr von alledem hören. William, der es mitangehört hatte, kam mir zu Hilfe. Hart trat er dazwischen, packte den Arm des Alten und löste ihn von dem meinen.
    »Das genügt, Ubertin!« sagte er schroff. »In Kürze wird dieses Mädchen unter der Folter liegen und dann auf dem Scheiterhaufen. Sie wird genau das sein, was du sagst: Schleim und Blut und Körpersäfte und Gallert. Doch es werden dann unseresgleichen sein, die unter ihrer Haut freigelegt haben, was Gott verhüllt und geschmückt lassen wollte mit dieser Haut. Und aus der Sicht der Grundstoffe bist du nicht besser als sie. Also laß den Jungen in Ruhe!«
    Ubertin blickte beschämt zu Boden. »Vielleicht habe ich gesündigt«, murmelteer. »Zweifellos habe ich gesündigt. Was kann schon ein Sünder anderes tun?«
    Die Versammlung löste sich langsam auf, und alle gingen, in Grüppchen über den Vorfall redend, in ihre Zellen zurück. William wechselte noch ein paar Worte mit Michael von Cesena und den übrigen Minoriten, die wissen wollten, was er von der Sache hielt.
    »Bernard hat jetzt ein Argument in der Hand, mag es auch mehrdeutig sein: In dieser Abtei gehen Schwarzkünstler um und treiben die gleichen finsteren Dinge, die in Avignon gegen den Papst unternommen wurden. Freilich ist das noch kein schlagender Beweis, und er kann es nicht ohne weiteres dazu benutzen, das morgige Treffen platzen zu lassen. Er wird heute nacht versuchen, jenem Unglücksraben noch weitere Hinweise zu entlocken, aber er wird sich ihrer gewiß nicht gleich morgen früh bedienen, sondern sie in der Hinterhand behalten, um sie gegen uns zu verwenden, falls die Debatte einen ihm unerwünschten Verlauf nehmen sollte.«
    »Könnte er denn dem Gefangenen etwas entlocken, was sich gegen uns verwenden ließe?« fragte Michael besorgt.
    »Ich hoffe nicht«, antwortete William vage, und mir wurde klar, woran er dachte: Wenn Salvatore dem Inquisitor verraten sollte, was er uns an jenem Morgen über seine und des Cellerars dunkle Vergangenheit gesagt hatte, und wenn er dabei gar Andeutungen über das Verhältnis der beiden zu Ubertin machen sollte, so könnte sich eine recht unangenehme Situation ergeben.
    »Warten wir ab, was geschieht«, sagte William in scheinbar sorglosem Ton. »Außerdem, lieber Michael, ist ohnehin schon alles im voraus entschieden. Aber du willst es ja wissen.«
    »Das will ich«, nickte Michael, »und der Herr wird mir dabei helfen. Möge der heilige Franz für uns alle bitten!«
    »Amen!« schlossen die Brüder im Chor.
    »Hoffentlich kann er das auch«, bemerkte William respektlos. »Es könnte doch sein, daß der heilige Franz irgendwo sitzt und auf das Jüngste Gericht wartet, ohne den Herrn schauen zu können von Angesicht zu Angesicht …«
    »Verflucht sei der Ketzer Johannes!« hörte ich den alten Bischof von Kaffa poltern, während wir sorgenvoll auseinandergingen. »Wenn er uns jetzt noch die Hilfe der Heiligen wegnimmt, was wird dann bloß aus uns armen Sündern!«

Fünfter Tag

PRIMA
    Worin eine brüderliche Diskussion über die Armut Christi stattfindet.
    Das Herz noch erfüllt von zahllosen Ängsten infolge der nächtlichen Szene, fuhr ich am Morgen des fünften Tages verstört aus dem Schlaf, als William mich heftig wachrüttelte. Die erste Stunde hatte bereits geschlagen, gleich würden sich die beiden Legationen versammeln. Ich rieb mir die Augen, schaute zum Fenster der Zelle hinaus und sah nichts. Der Nebel vom Vortag hatte sich zu einer milchigen Suppe verdichtet, die unangefochten das ganze Plateau beherrschte.
    Als wir hinaustraten, bot die Abtei einen Anblick, wie wir ihn an keinem der Tage zuvor gesehen: Nur die größten Gebäude, die Kirche, das Aedificium und der Kapitelsaal, zeichneten sich aus der Ferne ab, verschwommen, als graue Schatten im weißlichen Dunst, alles andere wurde erst sichtbar, wenn man unmittelbar davorstand. Die Formen der Dinge und Lebewesen tauchten auf, als kämen sie aus dem Nichts, die Menschen erschienen zunächst wie graue Schemen und wurden nur mühsam erkennbar.
    Im Norden

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