Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
verzichten, und die ersten Gründer der militanten Kirche hätten sich auch an diese Heiligkeitsregel gehalten. An diese Glaubenswahrheit habe sich auch das Konzil zu Vienne im Jahre 1312 gehalten, und Anno 1317 habe der Papst Johannes selber, in seiner Konstitution über den Status der Minderen Brüder, die mit den Worten Quorundam exigit beginnt, die Beschlüsse jenes Konzils als wohlabgewogen, luzide, stichhaltig und reif bezeichnet. Mithin habe das Kapitel zu Perugia – referierte der Abt die berühmte Erklärung weiter – in der Annahme, daß als anerkannt gelten könne, was der Heilige Stuhl als gute Lehre gebilligt habe, und daß man in keiner Weise davon abweichen dürfe, nichts anderes getan, als den diesbezüglichen Konzilsbeschluß zu beglaubigen und zu besiegeln mit der Unterschrift nicht nur von Meistern der Gottesgelehrtheit wie Frater William von England, Frater Heinrich von Deutschland und Frater Arnold von Aquitanien, sämtlich Ordensminister und Provinziale, sondern auch der Fratres Nikolaus, Minister von Frankreich, und William Bloc, Bakkalaureus, sowie des Generalministers und der vier Provinzialminister Frater Thomas von Bologna, Frater Petrus von der Provinz des heiligen Franziskus, Frater Ferdinand von Castello und Frater Simon von Tours. Indessen – fugte der Abt hinzu – erließ der Papst im folgenden Jahr das Dekretale Ad conditorem canonum , gegen das Bonagratia von Bergamo Einspruch erhob, weil es seines Erachtens den Interessen des Ordens zuwiderlief, woraufhin der Papst jenes Dekretale zwar abnehmen ließ von den Toren der Hauptkirche zu Avignon, wo es angeschlagen worden war, und in mehreren Punkten erweiterte, in Wahrheit aber verschärfte, was man daran sah, daß Bonagratia kurz darauf für ein Jahr ins Gefängnis gesteckt wurde. Es war nun kein Zweifel mehr an der Entschlossenheit des Papstes möglich, denn noch im selben Jahr erließ er das mittlerweile allseits bekannte Dekretale Cum inter nonnullos , worin er die Thesen von Perugia definitiv verurteilte.
    An diesem Punkt ergriff, liebenswürdig den Abt unterbrechend, Kardinal Bertrand das Wort und sagte, es sei auch daran zu erinnern, wie Anno 1324, um die Dinge zu komplizieren und zum Ärger des Papstes, Ludwig der Bayer sich eingemischt habe mit seiner Deklaration von Sachsenhausen, in welcher er ohne vernünftigen Grund die Thesen von Perugia übernommen habe (könne doch niemand verstehen, setzte Bertrand mit feinem Lächeln hinzu, wieso der Kaiser sich so begeistert zeige von einer Armut, die er selbst keineswegs praktiziere) und in welcher er den Herrn Papst nicht nur einen Unruhestifter genannt habe und einen inimicus pacis 90 , der Hader und Zwietracht säen wollte, sondern am Ende gar einen Häretiker, ja einen Häresiarchen!
    »Nicht direkt«, versuchte der Abt zu vermitteln.
    »Aber in der Substanz«, erwiderte trocken der Kardinal. Und eben aus diesem Grunde, nämlich um der unangebrachten Intervention des Kaisers entgegenzutreten, sei der Herr Papst dann gezwungen gewesen, das Dekretale Quia quorundam zu erlassen. Schließlich habe er Michael von Cesena dringlichst gebeten, sich zu einem Gespräch in Avignon einzufmden, aber Michael habe Entschuldigungsbriefe geschrieben, auf eine plötzliche Krankheit verwiesen (an welcher gewiß niemand zweifeln wolle) und an seiner Stelle die Brüder Johannes Fidanza und Humilis Custodius von Perugia geschickt. Wie es der Zufall indessen gewollt habe, sei der Herr Papst von den Guelfen aus Perugia darüber informiert worden, daß Bruder Michael, alles andere als krank, Kontakte zu Ludwig dem Bayern unterhielt … Doch wie dem auch sein mochte, das Gewesene sei gewesen, in jedem Falle scheine ja Michael nun wohlauf und munter, und so erwarte man ihn am päpstlichen Hofe. Allerdings sei es sicherlich besser, räumte der Kardinal ein, vorher zu klären und abzuwägen, wie man es heute hier tun wolle in dieser Runde kluger und erfahrener Männer von beiden Seiten, was Michael dem Heiligen Vater zu sagen gedenke, sei doch allen schließlich daran gelegen, die Dinge nicht zu verschlimmern und einen Streit zu begraben, der eigentlich gar nicht aufkommen dürfte zwischen einem so liebevollen Vater und seinen gehorsamen Kindern, und der auch nur aufgekommen sei durch die Einmischung weltlicher Machthaber, seien sie Kaiser oder Prokuratoren, die nichts zu tun hätten mit den Angelegenheiten der heiligen Mutter Kirche.
    Hier griff nun wieder Abbo ein und sagte, wiewohl er ein Mann der

Weitere Kostenlose Bücher