Der Name der Rose
von uns wider diese Wahrheit predigen, sie würden sie steinigen!«
»Ach wirklich? Was du nicht sagst!« höhnte der Bischof von Arborea. »Und wie kommt es dann, daß sie die Dominikaner nicht steinigen, die genau wider diese angebliche Wahrheit predigen?«
»Was für Dominikaner? Ich habe dort unten nie welche gesehen!«
Blaurot vor Wut und mit keifender Stimme versetzte darauf der Bischof von Arborea, vielleicht sei dieser Mindere Bruder fünfzehn Jahre im Lande der Griechen gewesen, er aber habe seit frühester Kindheit dort unten gelebt! Hieronymus konterte mit der schrillen Bemerkung, das könne schon sein, und vielleicht sei dieser Dominikaner wirklich unten im Lande der Griechen gewesen, doch nur, um sich dort ein gutes Leben zu machen in Bischofspalästen. Er aber als bescheidener Franziskaner habe dort unten nicht nur fünfzehn, sondern gut fünfundzwanzig Jahre verbracht und sogar vor dem Kaiser von Konstantinopel gepredigt! Woraufhin der Bischof von Arborea mangels weiterer Argumente Anstalten machte, sich auf seinen Widersacher zu stürzen und ihm, der sicherlich längst seine Männlichkeit eingebüßt habe, nun auch den Bart abzureißen, um ihn zu strafen nach bester Logik der Wiedervergeltung durch Benutzung besagten Bartes als Geißel.
Die anderen Minoriten sprangen auf, um sich schützend vor ihren bedrohten Bruder zu stellen, die Avignoneser fanden es richtig, dem keifenden Dominikaner hilfreich zur Seite zu stehen, und so ergab sich (oh Herr, hab Erbarmen mit Deiner Kinder Besten!) ein wildes Geschrei und Getümmel, das der Abt und der Kardinal vergeblich zu besänftigen suchten. Minoriten und Dominikaner belegten einander mit wüsten Beschimpfungen, als wäre jeder von ihnen ein Christ im Kampf mit den Sarazenen. Die einzigen, die still sitzenblieben, waren einerseits William und andererseits Bernard Gui – William traurig und Bernard froh, wenn man bei jenem blassen Lächeln, das um die Lippen des Inquisitors spielte, von Fröhlichkeit sprechen konnte.
»Gibt es keine besseren Argumente«, fragte ich bang meinen Meister, während der Bischof von Arborea sich über den Bart des Bischofs von Kaffa erboste, »um die Frage der Armut Christi zu klären?«
»Du kannst sie bejahen oder verneinen, mein guter Adson«, sagte William, »aber niemals wirst du aus den Evangelien ablesen können, ob und in welchem Maße Christus das Hemd, das er trug (und das er vermutlich achtlos wegwarf, sobald es abgenutzt war), als sein Eigentum betrachtete. Und wenn du so willst, ist die Eigentumslehre des Thomas von Aquin sogar noch kühner als die von uns Minoriten. Wir sagen, wir besitzen nichts und benutzen alles. Thomas sagt, betrachtet euch ruhig als Eigentümer, solange ihr nur, wenn jemand Mangel leidet an etwas, das ihr besitzt, es ihm zum Gebrauch überlaßt, und zwar nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus Pflicht … Aber im Grunde geht es gar nicht darum, ob Christus arm war. Im Grunde geht es darum, ob die Kirche arm sein soll. Und arm sein heißt nicht so sehr keine Paläste besitzen, sondern darauf verzichten, die irdischen Dinge bestimmen zu wollen.«
»Darum also«, sagte ich, »hält der Kaiser so große Stücke auf die Armutsthesen der Minoriten.«
»Genau. Die Minoriten spielen das Spiel des Kaisers gegen den Papst. Aber für Marsilius und mich ist es ein doppeltes Spiel, denn wir wollen, daß das Spiel des Kaisers unserem eigenen Spiel förderlich ist und unsere Vorstellungen von einer menschenwürdigen Regierungsform verwirklichen hilft.«
»Und das werdet Ihr sagen, wenn Ihr sprechen müßt?«
»Wenn ich es sage, erfülle ich meine Mission, denn ich soll die Ansicht der kaiserlichen Theologen vertreten. Aber sobald ich es sage, ist meine Mission gescheitert, denn ich soll ja auch ein zweites Treffen in Avignon vorbereiten, und ich glaube nicht, daß Johannes bereit ist, mich diese Dinge an seinem Hofe sagen zu lassen.«
»Was werdet Ihr also tun?«
»Ich bin hin- und hergerissen zwischen zwei widersprüchlichen Kräften, gleich einem Esel, der nicht weiß, aus welchem von zwei Hafersäcken er fressen soll. Die Zeiten sind noch nicht reif. Marsilius träumt von einer Veränderung, die vorläufig noch unmöglich ist, und Ludwig ist keineswegs besser als seine Vorgänger, mag er auch heute die einzige Schutzwehr gegen den elenden Papst darstellen. Vielleicht werde ich sprechen müssen – es sei denn, die beiden Kampfhähne bringen einander vorher um. In jedem Falle schreib, Adson, schreib
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