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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Mensch auch so klug sein, die Dinge und Tiere in seiner paradiesischen Sprache jeweils so zu benennen, wie es ihrem Wesen entsprach, so ändert das nichts an der Tatsache, daß er beim Ersinnen der Namen, die seinem Urteil zufolge am besten zu ihrem jeweiligen Wesen paßten, eine Art souveränes Recht ausübte. Denn wie man heute ja weiß, sind die Namen, mit denen die Menschen die Begriffe bezeichnen, in den verschiedenen Ländern sehr verschieden, und gleich für alle sind nur die Begriffe als Zeichen der Dinge. So daß wohl gewiß das Wort nomen von nomos kommt, das heißt von Gesetz; werden die nomina doch von den Menschen ersonnen ad placitum , also aufgrund freier und gemeinsamer Übereinkunft.
    Keiner der Anwesenden wagte dieser gelehrten Beweisführung zu widersprechen. Woraus William schloß, mithin sei klar zu erkennen, daß die Bestimmung über die Angelegenheiten der irdischen Welt nichts zu tun habe mit der Bewahrung und Verwaltung des Verbum Dei, jenen unveräußerlichen Privilegien der kirchlichen Hierarchie. Bedauernswert die Ungläubigen, rief er aus, weil sie keine solche Autorität haben, die ihnen das Wort Gottes auslegt (und alle Anwesenden bedauerten die armen Ungläubigen). Aber können wir deshalb sagen, fuhr William fort, daß die Ungläubigen nicht dazu neigen, sich Gesetze zu machen und ihre Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten durch Regierungen, Könige, Kaiser oder auch Sultane und Kalifen, wie immer sie ihre Herrscher nennen mögen? Und können wir leugnen, daß auch zahlreiche Kaiser im alten Rom ihre weltliche Macht in Weisheit ausgeübt haben, man denke nur an Trajan? Und wer, fragte William die Anwesenden, wer gab den Heiden und gibt den Ungläubigen diese natürliche Fähigkeit, sich Gesetze zu schaffen und politische Gemeinwesen? Etwa ihre falschen Gottheiten, die zwangsläufig nicht existieren (oder die nicht zwangsläufig existieren, wie immer man die Negation ihrer Existenzweise ausdrücken will)? Gewiß nicht! Nur einer kann sie ihnen verliehen haben: der Gott der Heerscharen, der Gott Israels, der Vater Unseres Herrn Jesus Christus … Wunderbarer Beweis für die Güte des Herrn, der die Urteilsfähigkeit in politischen Fragen auch denen gegeben hat, die in ihrer Verblendung die Autorität des römischen Pontifex nicht anerkennen und nicht teilhaben an den süßen und schrecklichen Mysterien der Christenheit! Doch was könnte gleichzeitig besser als dies beweisen, daß die weltliche Herrschaft und die irdische Jurisdiktion nichts mit der Kirche und den Gesetzen Jesu Christi zu tun haben, sondern vielmehr von Gott gesetzt worden sind, außerhalb jeder kirchlichen Approbation und lange bevor überhaupt unsere heilige Religion entstanden ist?
    Wieder hüstelte William, doch diesmal nicht er allein, denn viele der Anwesenden kratzten sich an den Köpfen und räusperten sich vernehmlich. Der Kardinal benetzte sich mit der Zunge die Lippen und forderte William mit einer höflichen, aber drängenden Geste auf, allmählich zum springenden Punkt zu kommen. Worauf nun der Redner in Angriff nahm, was mittlerweile allen Anwesenden, auch denen, die sie nicht teilten, die vielleicht unangenehmen Schlußfolgerungen seiner so unwiderleglichen Explikation zu sein schienen. Das heißt, er sagte, ihm scheine, daß seine Deduktionen gerade auch durch das Beispiel Christi bestärkt würden, denn Christus sei bekanntlich nicht in die Welt gekommen, um zu befehlen, sondern um sich unter die in der Welt vorgefundenen Bedingungen zu beugen, jedenfalls was die Gesetze des Kaisers betraf. Christus wollte nicht, erläuterte William, daß die Apostel Befehls- oder Herrschaftsgewalt besäßen, und so scheine es doch wohl gut und richtig, wenn die Nachfolger der Apostel jeder weltlichen Zwangsgewalt enthoben würden. Wenn nämlich der Papst, die Bischöfe und die Priester nicht der Autorität des Fürsten unterstünden, so würde die Autorität des Fürsten dadurch geschmälert, und geschmälert würde damit eine Autorität, die, wie soeben dargelegt, von Gott selbst gesetzt worden ist. Freilich müsse man hier sehr delikate Fälle bedenken, fügte William hinzu, wie zum Beispiel den des Häretikers, über dessen Häresie allein die Kirche als Hüterin der ewigen Wahrheit befinden kann, den aber gleichwohl nur der weltliche Arm richten darf. Wenn die Kirche einen Häretiker ausfindig macht, muß sie ihn gewiß dem Fürsten melden, der über die Lebensbedingungen seiner Untertanen wohlinformiert sein

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