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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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entzogen«, höhnte der Inquisitor, »oder präziser gesagt den Untersuchungen derer, die eingesetzt worden waren, um die Häresie aufzudecken und das Unkraut auszurotten, und die guten Cluniazensermönche glaubten, sie täten einen Akt der Barmherzigkeit, als sie dich und deinesgleichen aufnahmen. Doch ein Wechsel der Kutte genügt nicht, um das Schandmal der häretischen Entartung aus der Seele zu tilgen, und darum sind wir jetzt hier, um zu untersuchen, was sich in den verborgenen Winkeln deiner unbußfertigen Seele regt und was du getan hast, bevor du an diesen heiligen Ort gekommen bist.«
    »Meine Seele ist unschuldig, und ich weiß nicht, was Ihr meint, wenn Ihr von häretischer Entartung sprecht«, sagte der Cellerar vorsichtig.
    »Seht Ihr?« rief Bernard aus und wandte sich an die beisitzenden Richter. »So reden sie alle! Wenn einer von ihnen gefaßt wird, tritt er vor das Gericht, als ob sein Gewissen ruhig und rein wäre. Dabei wissen sie nicht, daß eben dies das deutlichste Zeichen ihrer Schuld ist, denn die Gerechten zeigen sich unruhig im Prozeß. Fragt ihn doch einmal, ob er weiß, warum ich seine Verhaftung veranlaßt habe. Weißt du es, Remigius?«
    »Herr Inquisitor«, antwortete der Cellerar, »ich wäre froh, es aus Eurem Munde zu erfahren.«
    Ich war überrascht, denn mir schien, daß der Angeklagte auf rituelle Fragen ebenso rituelle Antworten gab, als ob er die Regeln des Kreuzverhörs und die möglichen Fangfragen alle schon bestens kannte und seit langem auf eine solche Situation vorbereitet war.
    »Genau das«, ertönte es jetzt von Bernard, »ist die typische Antwort der unbußfertigen Ketzer! Sie winden sich schlau wie die Füchse, und es ist überaus schwer, sie zu fassen, denn ihre Gemeinde gestattet ihnen zu lügen, um der verdienten Strafe zu entgehen. Sie greifen zu gewundenen Antworten, um den Inquisitor zu täuschen, der schon genug damit geschlagen ist, daß er den Kontakt mit diesen widerwärtigen Leuten ertragen muß … Also du willst behaupten, Fra Remigius, du habest niemals etwas zu tun gehabt mit den sogenannten Fratizellen oder Brüdern des armen Lebens oder Beginen?«
    »Ich habe die bewegten Jahre der Minderen Brüder miterlebt, als lang und breit über die Armut diskutiert wurde, aber ich habe niemals zur Sekte der Beginen gehört.«
    »Seht Ihr?« rief Bernard von neuem. »Er leugnet, ein Begine gewesen zu sein, weil nämlich die Beginen, wiewohl sie zum Ketzerunwesen der Fratizellen gehören, diese als einen vertrockneten Zweig des Franziskanerordens betrachten und sich selbst für reiner und vollkommener halten als alle anderen. Doch sie haben viele Gewohnheiten und Verhaltensweisen mit den anderen gemein. Kannst du leugnen, Remigius, daß du in der Kirche gesehen wurdest, wie du Andacht hieltest, verzückt mit dem Gesicht zur Wand, oder auch prosterniert am Boden liegend mit der Kapuze über dem Kopf, statt kniend und mit gefalteten Händen wie die anderen Mönche?«
    »Auch im Orden des heiligen Benedikt wirft man sich zu gegebener Zeit auf den Boden …«
    »Ich habe dich nicht gefragt, was du zu gegebener Zeit getan hast, sondern was du zur falschen Zeit tatest! So leugnest du also nicht, diese beiden Haltungen eingenommen zu haben, die typisch sind für die Beginen! Aber du bist kein Begine, sagst du? Dann sage mir nun: Woran glaubst du?«
    »Herr Inquisitor, ich glaube an alles, woran ein guter Christ glaubt …«
    »Fürwahr, eine fromme Antwort! Und woran glaubt ein guter Christ?«
    »An das, was die heilige Kirche lehrt.«
    »Welche heilige Kirche? Die jener Gläubigen, die sich als vollkommen bezeichnen, die Kirche der Pseudo-Apostel, der häretischen Fratizellen? Oder die, die jene vergleichen mit der Großen Hure von Babylon, während wir alle fest an sie glauben?«
    »Herr Inquisitor«, sagte der Angeklagte verwirrt, »sagt Ihr mir, welche nach Eurem Glauben die wahre ist.«
    »Ich glaube natürlich, daß die wahre Kirche die römische ist, die Eine, Heilige und Apostolische Kirche unter der Leitung des Papstes und seiner Bischöfe.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Ha, wie schlau!« rief donnernd der Inquisitor. »Wahrlich, eine höchst raffinierte Antwort de dicto 94 ! Ihr habt es gehört: Er sagt, er glaubt, daß ich an diese Kirche glaube, und entzieht sich damit der Pflicht zu sagen, woran er glaubt! Aber wir kennen diese Schliche und Winkelzüge! Kommen wir nun zur Kernfrage: Glaubst du, daß die Sakramente von Unserem Herrn eingesetzt worden sind,

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