Der Name der Welt
Licht wird eingedrungen sein und sie langsam auffressen. Ein schwaches Licht. Ein nachlassendes Licht. Das Licht von Gedanken.»
«Was meinen Sie damit? Speziell mich und meine Gedanken oder die von jedem, der sie zufällig liest?»
«Die von jedem. Wenn irgendjemand rausfindet, wie sie lauten, wird ihre Vollkommenheit langsam nachlassen.»
«Aber Sie, was ist mit Ihnen? Sie haben sie doch auch gelesen.»
«Ja. Aber wenn jemand anders sie liest, wird das, was sie in meinem Inneren bewirken, zerstört.»
Sie sah mich jetzt mit einem sehr lebhaften, mitteilsamen Ausdruck ihres hübschen Gesichts an. Er besagte, dass sie durchaus gewillt war, das alles absurd und lustig zu finden, aber aus ihrem Blick sprach eine große Neugier zu erfahren, ob ich sie wohl verstehen würde. Ich glaube, ich verstand sie. Aber dass sie mir das abnahm, glaube ich nicht.
Und ich küsste sie tatsächlich. Berührte erst ihren Ärmel mit den Fingern. Sie zog ihn nicht weg. Ich zupfte an ihrem Ärmel, und sie kam nahe heran, und ich drückte meine Lippen auf die ihren.
«Na gut», sagte sie. «Komm bitte wieder mit rein.»
Sie nahm mich an der Hand, klemmte ihr Kästchen unter den Arm. Auf dem Weg nach drinnen trat sie mit ihrer spitzen Stiefelette gegen den Gummistopper, und die schwere Tür schwang hinter uns zu. Sie stellte das Kästchen mit den Sätzen neben ihre Matratze, und wir sanken auf Falten aus Synthetik – es war ein Schlafsack, kein gutes Polster gegen den Betonfußboden. Ein paar Minuten lang küssten wir uns heftig, aber ich fühlte mich wie ein Mann, der in ein falsches Viertel geraten ist und jeden Moment darauf wartet, in die richtige Straße einzubiegen, während er sich immer panischer und orientierungsloser fragt, wo zum Teufel sie ist. Flower war süß, nichts an ihr verriet Zurückhaltung, ich merkte keine unterschwellige Abwehr, keinerlei innere Reserve, weder Ironie noch Schalkhaftigkeit, keine beflissene Objektivierung, keine der Strategien, die einen Teil von ihr aus dieser Liebelei mit einem alten Mann herausgehalten hätten.
«Erzähl mir deinen Traum. Den, von dem du mir nichts sagen wolltest.»
«Ich habe dich in einem Raum voller Fremder gesehen. Auf einer Bühne. Sie haben dich untersucht. Aber es war nur ein Traum.»
Während sie mich küsste, öffnete sie meinen Gürtel, und ich half mit dem Rest. In meinen weißen Boxershorts erwiderte ich ihre Küsse, und wir machten uns beide an den oberen Knöpfen ihres Kittels zu schaffen.
«Das ist es irgendwie nicht», sagte ich. Da war keinerlei Begierde mehr nach ihr. Mit einer eindeutigen, körperlich spürbaren Empfindung rutschte ich in das Loch zurück, in dem ich überhaupt kein Verlangen verspürte. Ich hielt ihre Hände fest, aber es half nichts. «Ich gehe.» Ich raffte meine Kleidung zusammen, schnappte mir alles vom Fußboden, was meins zu sein schien, und bedeckte mich.
«Tut mir sehr leid», sagte ich.
Mit offenem Hemd und barfuß gelangte ich zu meinem Wagen, warf Schuhe und Socken auf den Rücksitz und klammerte mich verzweifelt ans Lenkrad. Sie stand auf den Stufen, nur eine schemenhafte Gestalt. Und darin verbarg sich …
Jetzt – hier – war der Punkt erreicht, an den ich mit ihr hatte kommen wollen. Alle erwarteten Phasen waren durchschritten. Ein einziger Schritt weiter würde uns in nicht vorherzusagende Momente tragen. Ich machte die Wagentür auf, hob die Füße nach draußen und zog mir die Schuhe wieder an. Ich knöpfte mein Hemd zu, beobachtete ihren Schemen. Ich stellte den Motor ab und ging zurück.
Sie war nicht da. Vielleicht war auch ihr Schemen nie da gewesen. Ich ging die Eingangsstufen hinauf und drinnen die Stufen hinunter.
Sie stand reglos am anderen Ende des Ganges, hatte vermutlich innegehalten, als sie meine Schritte hörte. Die Hintertür war wieder geöffnet. Von draußen drang eine frische, warme Brise herein und begann sanft und vernehmlich durch den Gang zu wehen.
Mit ihrer Botschaft von einem Gott, der verschwunden war, kam sie auf mich zu. «Würdest du gern die Geschichte meines Namens erfahren?»
Ich spürte ihr Atelier direkt zu meiner Rechten, spürte die geisterhaften Objekte und skelettartigen Dinge darin.
Noch einmal: «Möchtest du, dass ich dir die Geschichte meines Namens erzähle?»
Ich folgte ihr zurück ins Atelier und setzte mich auf den beklecksten Stuhl.
«Ich glaube, ich muss eine andere Geschichte vorausschicken, bevor ich dir die Geschichte meines Namens erzählen kann.»
Ich
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