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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Bürste, einen Eimer dampfendes Wasser und ein Stück Seife. Ich schrubbte mich, bis ich rosarot war. Der Wirt brachte einen zweiten Eimer heißes Wasser, dann einen dritten. In Gedanken sprach ich ein Dankgebet dafür, dass ich offenbar keine Läuse hatte. Wahrscheinlich war ich zu dreckig gewesen, als dass eine Laus, die etwas auf sich hielt, sich auf mir niedergelassen hätte.
    Als ich mich zum letzten Mal mit klarem Wasser abspülte, sah ich zu meinen abgelegten Kleidern hinüber. So sauber wie seit Jahren nicht, wollte ich sie nicht mehr anrühren, geschweige denn tragen. Und wenn ich versucht hätte, sie zu waschen, hätten sie sich wohl völlig aufgelöst.
    Ich trocknete mich ab und zog mir dann mit der Bürste die Knoten aus dem Haar. Es war länger, als es mir vorgekommen war, als es noch dreckig war. Ich wischte den beschlagenen Spiegel ab und war erstaunt. Ich sah älter aus, als ich war. Und nicht nur das: Ich sah aus wie ein junger Edelmann. Mein Gesicht war mager und ebenmäßig.Mein Haar hätte etwas Pflege vertragen können, war aber schulterlang und glatt, was gegenwärtig in Mode war. Das Einzige, was mir fehlte, waren die Kleider eines Edelmanns.
    Und das brachte mich auf eine Idee.
    Immer noch nackt, wickelte ich mich in ein Handtuch und schlich durch die Hintertür hinaus. Ich nahm meinen Geldbeutel mit, ließ ihn aber niemanden sehen. Es war kurz vor Mittag, und es waren viele Leute unterwegs. Selbstverständlich zog ich viele Blicke auf mich. Ich achtete nicht darauf und schritt in flottem Tempo einher, versuchte nicht, mich zu verstecken. Vielmehr setzte ich eine wütende Miene auf und ließ mir keinerlei Verlegenheit anmerken.
    Ich blieb bei einem Vater-und-Sohn-Gespann stehen, das Säcke auf einen Karren lud. Der Sohn war etwa vier Jahre älter als ich und einen Kopf größer. »Junge«, sagte ich barsch. »Wo kann ich hier in der Nähe Kleider kaufen?« Ich musterte demonstrativ sein Hemd. »Anständige Kleider«, fügte ich hinzu.
    Er blickte mich verwirrt und verärgert an. Sein Vater nahm flugs den Hut ab und trat vor seinen Sohn. »Eure Lordschaft könnten es bei Bentley’s versuchen. Es ist nichts Besonderes, aber der Laden ist nur ein oder zwei Ecken von hier entfernt.«
    Meine Miene verfinsterte sich. »Ist das der einzige Laden hier in der Nähe?«
    Er starrte mich mit offenem Mund an. »Nun ja … da könnte … es gibt noch …«
    Ich hieß ihn mit einem Wink schweigen. »Wo ist das? Wenn dir die Worte fehlen, zeig einfach in die Richtung.«
    Er zeigte es mir, und ich schritt von dannen. Im Gehen rief ich mir einen Edelknabenpart ins Gedächtnis, den ich bei der Truppe des Öfteren gespielt hatte. Der Edelknabe hieß Dunstey und war ein unerträglich bockiger kleiner Junge mit einem wichtigen Vater. Das war genau das Richtige. Ich legte den Kopf gebieterisch auf die Seite, änderte meine Schulterhaltung ein wenig und stimmte mich auf die Rolle ein.
    Ich riss die Tür auf und stürmte in den Laden. Dort stand ein Mann mit einer Lederschürze vor dem Leib. Das musste Bentley sein. Er war um die vierzig Jahre alt, schlank und hatte schütteres Haar. Erzuckte zusammen, als die Tür laut scheppernd an die Wand schlug. Mit ungläubigem Blick sah er sich zu mir um.
    »Bring mir etwas anzuziehen, Dämlack. Ich bin es satt, von dir und sämtlichen Schwachköpfen angeglotzt zu werden.« Ich warf mich auf einen Sessel und schmollte. Als er sich nicht rührte, funkelte ich ihn an. »Rede ich undeutlich? Ist etwa nicht augenfällig, wessen ich bedarf?« Ich zupfte demonstrativ am Saum meines Handtuchs.
    Er stand dort und starrte mich mit offenem Munde an.
    Ich senkte drohend die Stimme. »Wenn du mir nicht sofort etwas zum Anziehen bringst –« Ich sprang auf und schrie: »Dann lege ich diesen Laden in Schutt und Asche! Ich lasse mir die Steine dieses Hauses von meinem Vater zum Mittwinter schenken! Und seine Hunde lasse ich deinen Leichnam bespringen! HAST DU ÜBERHAUPT EINE AHNUNG, WER ICH BIN?«
    Bentley huschte von dannen, und ich warf mich wieder auf den Sessel. Ein Kunde, den ich bis dahin gar nicht bemerkt hatte, eilte aus dem Geschäft und hielt dabei nur kurz an, um sich vor mir zu verneigen.
    Ich verkniff mir das Lachen.
    Anschließend war es erstaunlich einfach. Ich ließ Bentley eine halbe Stunde lang springen und mir ein Kleidungsstück nach dem anderen vorlegen. Und bei allem, was er brachte, mokierte ich mich über den Stoff, den Schnitt oder die Verarbeitung. Kurz gesagt:

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