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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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nicht riskieren.
    Obwohl ich mich viele lange Tage gemeinsam mit Wil und Sim darauf vorbereitet hatte, erwies sich die Prüfung als haarig. Viele Fragen beantwortete ich mit Leichtigkeit, aber Hemme verhielt sich offen feindselig mir gegenüber und stellte Fragen, auf die es mehrere richtige Antworten gab, so dass nichts, was ich sagte, ihn gänzlich zufrieden stellte. Auch Brandeur erwies sich als harter Knochen und half Hemme ganz offensichtlich dabei, seinen Groll gegen mich auszuleben. Lorren war undurchschaubar, ich meinte aber seine Missbilligung zu spüren.
    Hinterher rutschte ich nervös auf meinem Stuhl hin und her, während die Meister über die Höhe meiner Studiengebühren debattierten. Die Stimmen waren zunächst ruhig und gedämpft und wurden dann lauter. Schließlich stand Kilvin auf, drohte Hemme mit dem Finger, brüllte und schlug mit der anderen Hand auf den Tisch. Hemme wahrte die Fassung besser, als ich es gekonnt hätte, wenn mir so ein Schrank von Handwerksmeister gegenüber gestanden und mich wütend angebrüllt hätte.
    Nachdem es dem Rektor gelungen war, die Gesprächsleitung wieder an sich zu reißen, rief man mich herbei und gab mir meine Bescheinigung. »E’lir Kvothe. Herbsttrimester. Studiengebühren: 3 Talente, 9 Jots, 7 Deut.«
    Acht Jots mehr, als ich besaß. Als ich den Meistersaal verließ, ignorierte ich das flaue Gefühl in meinem Magen und überlegte stattdessen, wie ich bis zum Mittag des nächsten Tages mehr Geld beschaffen konnte.
    Ich schaute kurz bei den einzigen beiden kealdischen Geldwechslern auf dieser Seite des Flusses vorbei. Wie ich vermutet hatte, waren sie nicht bereit, mir auch nur ein Scherflein zu leihen. Das überraschte mich zwar nicht, aber es war dennoch ein ernüchterndes Erlebnis und erinnerte mich wieder daran, was mich alles von den anderen Studenten unterschied. Sie hatten Familien, die für ihre Studiengebühren und ihren Lebensunterhalt aufkamen. Sie trugen angesehene Namen, die ihnen auch in finanziellen Angelegenheiten Tür und Tor öffneten. Sie hatten Besitztümer, die sie verpfänden oder verkaufen konnten. Und im allerschlimmsten Falle hatten sie immer noch ein Zuhause, wohin sie zurückkehren konnten.
    Ich hatte nichts von alledem. Wenn ich nicht die zusätzlichen acht Jots für die Studiengebühren aufbrachte, gab es auf der ganzen Welt keinen Ort, an den ich gehen konnte.
    Mir Geld von einem Freund zu pumpen erschien mir als die naheliegendste Lösung, aber ich schätzte meine Handvoll Freunde zu sehr, als dass ich riskieren wollte, sie wegen Geldstreitigkeiten zu verlieren. Wie mein Vater zu sagen pflegte: »Es gibt zwei sichere Methoden, einen Freund zu verlieren. Die erste ist, von ihm Geld zu leihen. Die zweite, ihm Geld zu leihen.«
    Und außerdem tat ich alles, um meine bittere Armut zu verhehlen. Stolz ist etwas Törichtes, aber er ist auch ein starker Antrieb. Nur wenn wirklich alle Stricke rissen, würde ich mir von ihnen etwas pumpen.
    Einen Moment lang überlegte ich, ob ich versuchen sollte, das Geld mit Taschendiebstählen zu beschaffen. Ich wusste aber, dass das eine ganz schlechte Idee war. Wenn man mich auf frischer Tat ertappte, würde ich mehr davontragen als nur eine Ohrfeige. Bestenfalls würde man mich ins Gefängnis werfen und vor Gericht stellen. Und schlimmstenfalls wurde ich erneut auf die Hörner genommen und diesmal tatsächlich von der Universität verwiesen. Das konnte ich nicht riskieren.
    Ich brauchte einen Gaelet, einen jener gefährlichen Männer, die Geld an Menschen in Notlagen verleihen. Also trieb ich mich ein paar Stunden lang in den schäbigeren Schenken rings um die Universität herum, führte ein paar belanglose Gespräche und stellte ein paar beiläufige Fragen. Dann suchte ich eine Pfandleihe auf, die man mir empfohlen hatte, und stellte ein paar konkretere Fragen. Und schließlich erfuhr ich, wohin ich gehen musste: Auf die andere Seite des Flusses, nach Imre.

Kapitel 50
    Verhandlungen

    I mre liegt gut zwei Meilen östlich der Universität am anderen Ufer des Omethi. Da man von dort mit einem schnellen Pferdegespann in nur zwei Tagen in Tarbean war, hatten sich viele Adlige, Höflinge und wohlhabende Politiker in der Stadt niedergelassen. Man lebte dort nicht allzu fern vom Regierungssitz des Commonwealth und war doch weit weg vom Gestank nach Fisch und heißem Teer und dem Erbrochenen der betrunkenen Seeleute.
    Imre war eine Kulturmetropole. Es gab dort Musiker, Dramatiker, Bildhauer, Tänzer;

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