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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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er nur wollte …
    So fühlte ich mich, als ich die Musiker spielen sah. Ich ertrug es nicht. Dass es in meinem Alltag keine Musik gab, war wie ein Zahnschmerz, an den ich mich gewöhnt hatte. Ich konnte damit leben. Aber das, was ich so dringend wollte, direkt vor meiner Nase zu sehen, war mehr, als ich ertragen konnte.
    Und daher mied ich Imre, bis mich das Problem mit den Studiengebühren für mein zweites Trimester wieder über den Fluss führte. Ich hatte erfahren, dass Devi derjenige war, den man selbst in verzweifelten Situationen um ein Darlehen bitten konnte.

    So überquerte ich also den Omethi auf der großen Steinbrücke und ging nach Imre. Devi lebte in einer kleinen Gasse hinter einer Metzgerei. Dieser Teil von Imre erinnerte mich an Waterside. Bei dem widerlichen Gestank nach ranzigem Fett, der aus der Metzgerei drang, war ich froh über die kühle Herbstbrise.
    Ich stieg die schmale Außentreppe empor, blieb vor der schweren Tür stehen und sah die Gasse entlang. Es war ein riskantes Geschäft, auf das ich mich hier einließ. Ein kealdischer Geldverleiher konnte einen vor Gericht zerren, wenn man einen Kredit nicht zurückzahlte. Ein Gaelet aber würde einen in diesem Fall einfach zusammenschlagen oder ausrauben lassen oder beides. Es war nicht klug, was ich hier tat. Ich spielte mit dem Feuer.
    Mir blieb aber nichts anderes übrig. Ich atmete tief durch, stellte mich aufrecht hin und klopfte an die Tür.
    Die feuchten Handflächen wischte ich mir am Umhang ab und hoffte, dass sie einigermaßen trocken blieben, bis ich Devi die Hand schüttelte. Ich hatte in Tarbean gelernt, dass man Männern dieses Schlags möglichst selbstsicher gegenübertreten sollte. Es gehörte zu ihrem Geschäft, die Schwächen anderer Menschen auszunutzen.
    Ich hörte, wie ein schwerer Riegel beiseite gezogen wurde, die Tür öffnete sich, und vor mir stand ein Mädchen mit glatten, rotblonden Haaren, die ein süßes, koboldhaftes Gesicht umrahmten. Sie lächelte mich an. »Ja, bitte?«
    »Ich möchte zu Devi«, sagte ich.
    »Du hast sie gefunden«, erwiderte sie leichthin. »Komm nur herein.«
    Ich trat ein, und sie schloss hinter mir die Tür und schob den Riegel wieder vor. Der Raum war fensterlos, aber gut beleuchtet, und es duftete hier nach Lavendel, was nach dem Gestank auf der Gasse eine willkommene Abwechslung war. An den Wänden hingen Gobelins, aber möbliert war der Raum nur mit einem kleinen Schreibtisch, einem Bücherregal und einem großen Himmelbett, dessen Vorhänge zugezogen waren.
    »Bitte«, sagte sie und wies auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. »Nimm Platz.«
    Sie setzte sich mir gegenüber und faltete die Hände. Ihr ganzes Gebaren brachte mich dazu, ihr Alter noch einmal neu einzuschätzen. Ich hatte mich geirrt, weil sie so klein war, aber viel älter als Anfang zwanzig konnte sie dennoch nicht sein – kaum das, was ich erwartet hatte.
    Devi zwinkerte mir zu.
    »Ich brauche ein Darlehen«, sagte ich.
    »Wie wäre es erst einmal mit deinem Namen?« Sie lächelte. »Meinen kennst du ja schon.«
    »Kvothe.«
    »Tatsächlich?« Sie hob eine Augenbraue. »Von dir habe ich schon das eine oder andere gehört.« Sie musterte mich. »Ich hätte dich für größer gehalten.«
    Das könnte ich von dir auch behaupten . Ich war ein wenig perplex ob der ganzen Situation. Ich hatte mich auf einen muskulösen Schlägertyp eingestellt und auf Verhandlungen mit kaum verhohlenen Drohungen und zur Schau gestellter Tapferkeit. Ich wusste nicht, was ich von dieser lächelnden jungen Frau halten sollte. »Was hast du denn gehört?«, fragte ich. »Doch hoffentlich nichts Schlechtes.«
    »Gutes und Schlechtes.« Sie grinste. »Aber nichts Langweiliges.«
    Ich faltete die Hände, damit sie nicht nervös herumnestelten. »Wie erledigen wir das denn jetzt?«
    »Du bist kein großer Plauderer, hm?«, sagte sie und seufzte enttäuscht. »Also gut, dann kommen wir gleich zum Geschäftlichen. Wie viel brauchst du denn?«
    »Nur etwa ein Talent. Acht Jots, genau gesagt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht machen. Tut mir Leid. Solche Kleinkredite rechnen sich für mich nicht.«
    Ich runzelte die Stirn. »Und ab wann rechnet es sich für dich?«
    »Ab vier Talenten«, sagte sie. »Das ist der Mindestbetrag.«
    »Und die Zinsen?«
    »Fünfzig Prozent alle zwei Monate. Wenn du also so wenig wie möglich leihen willst, macht das bis zum Trimesterende zwei Talente. Die Gesamtschuld kannst du dann mit sechs Talenten

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