Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
haben nicht nach dir gefragt. Warum sollten sie? Sie sind Eltern eines vielversprechenden Schülers. Sie haben sich nach dem Kunsterziehungsunterricht erkundigt.«
»Dann haben sie gelogen«, sagte Kass aufgeregt. »Sie sind schrecklich. Ich glaube, sie sind überhaupt keine Eltern.«
»Kassandra! Wie hässlich von dir, so etwas zu sagen, wo du diese Leute doch gar nicht kennst.«
»Ist Ihnen aufgefallen, dass sie Handschuhe getragen haben, obwohl es draußen so heiß ist?«
»Manche Leute halten es für ein Zeichen guten Benehmens, Handschuhe zu tragen. Ich persönlich finde, es ist eine sehr vornehme Angewohnheit. Vielleicht ziehe ich ab sofort auch welche an.« Mrs Johnson warf Kass unter ihrem türkisfarbenen Hut einen strengen Blick zu. »Hat das etwas damit zu tun, dass ich nicht deiner Aufforderung gefolgt bin und keine Evakuierung der Schule angeordnet habe? Wenn ich jedes Mal die Schule räumen lasse, weil du gerade meinst, eine Katastrophe stünde ins Haus, dann käme keiner mehr dazu, etwas zu lernen.«
»Ja, tut mir leid, Mrs Johnson. Auf Wiedersehen.«
Kass ließ eine kopfschüttelnde Mrs Johnson zurück und eilte durch die Halle. Aber es war zu spät. Dr. L und Madame Mauvais waren spurlos verschwunden.
***
Kass verbrachte gut zehn Minuten – davon mindestens fünf der ersten Unterrichtsstunde – damit, die Schule zu durchsuchen. Ohne jeden Erfolg. Weder stieß sie auf Dr. L und Madame Mauvais noch auf Max-Ernest.
Sie legte sich gerade eine Ausrede für den Lehrer zurecht, warum sie zu spät kam, als sie wie nebenbei einen Blick auf das hintere Tor des Schulgeländes warf...
Auf der anderen Straßenseite stiegen Dr. L und Madame Mauvais in eine wartende Limousine. Das Fahrzeug war so dunkelblau, dass es fast schwarz aussah, und mit winzigen glitzernden Sternen verziert. Es schimmerte wie verzaubert. Auf der Wagentür prangte eine aufgehende Sonne und in goldenen Buchstaben stand geschrieben:
Mitternachtssonne Sensorium und Spa
Als die Limousine davonfuhr, erhaschte Kass einen Blick auf das Gesicht eines Jungen, der aus dem Rückfenster starrte.
Kass starrte hinterher und einen Augenblick lang glaubte sie, der Junge habe sie angesehen. Wieso kam er ihr vertraut vor? Hatte Mrs Johnson recht? War das der Sohn? Waren die beiden tatsächlich Eltern? Kass verwarf den Gedanken sofort wieder. Sie dachte an all die schrecklichen Dinge, die dieser Mann und diese Frau ihr und Max-Ernest nachgeschrien hatten. Kein Vater und keine Mutter würden so etwas zu einem Kind sagen. Zumindest keine echten.
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass Kass und Max-Ernest an diesem Morgen nach der ersten Stunde in den Lesesaal gingen. Sobald Kass Max-Ernest entdeckt hatte, zog sie ihn zu einem Schreibtisch in einer ruhigen Ecke.
Sie redete so schnell auf ihn ein, dass ihre Worte wie in einem Strudel ineinanderflossen.
»AmSamstagistdieSymphoniederDüfteausdemaltenFeuerwehrhausgestohlen wordenundichbinsicherdassesMadameMauvaisundDr.LwarenweilSebastian verrücktgespielthatundjetztsindsieauchnochinder SchuleaufgekreuztkannstdudasglaubenundhabenmitMrsJohnsoneinen Rundganggemacht!SiesagtediebeidenwärenElternund dannsahichsiemiteinemJungenaufdemRücksitzihrerLimousinewegfahrenaufder derNameMitternachtssonnegeschriebenstand!«
Die meisten Leute hätten kein Wort davon verstanden. Max-Ernest war aber selbst ein Schnellredner und konnte ihr mühelos folgen.
»Sie haben ein Kind? Das glaub ich nicht«, sagte er.
»Genau das hab ich mir auch gedacht«, sagte Kass und redete etwas langsamer, weil sie so außer Atem war. »Ich wette, das mit den Eltern ist eine Lüge, eine Tarnung, damit sie nach uns suchen können. Aber wer war der Junge in dem Auto? Hey, fast hätte ich’s vergessen. Ich habe herausgefunden, was mit SIEH DRUNTER gemeint ist. Es bedeutet ›zwischen den Blättern‹. In das Notizbuch ist sehr wohl etwas hineingeschrieben worden, allerdings versteckt.«
»Wow! Hast du es gelesen?«
»Nein, ich habe auf dich gewartet.«
Kass sagte nicht: »Ich habe gewartet, weil wir ein Team sind.« Und Max-Ernest sagte nicht: »Danke, das bedeutet mir sehr viel.« Aber jeder wusste genau, was der andere dachte.
»Weißt du, was mir auffällt«, sagte Kass nach einer Weile. »Du redest gar nicht ununterbrochen. Ab und zu bist du still. So wie jetzt.«
»Das stimmt«, sagte Max-Ernest verblüfft. »Und dabei habe ich mich nicht mal angestrengt. Wie findest du das?«
»Erzähl mir lieber, was der neue Arzt über
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