Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
befragen.
Während sie die Seiten durchblätterte, fiel ihr plötzlich etwas auf. Alle Seiten waren Doppelseiten, die in der Mitte gefaltet waren.
Sie fingerte so lange an der Bindung herum, bis sich die Blätter aufklappen ließen wie eine Ziehharmonika. Staunend starrte sie auf die Seiten.
Ohne zu wissen, was sie tat, hatte sie herausgefunden, was mit SIEH DRUNTER gemeint war. Die Antwort war nicht unter der Erde vergraben, sie war die ganze Zeit über direkt vor ihrer Nase gewesen. Die Geschichte des Magiers war auf die Rückseiten der zusammengefalteten Blätter geschrieben.
Der Rest der Busfahrt war die reinste Tortur. Ihre Gedanken kreisten nur noch um das, was unter den Seiten geschrieben stand. Am liebsten hätte sie sofort angefangen zu lesen, aber sie wollte Max-Ernest gegenüber fair sein. Sosehr er ihr manchmal auf die Nerven ging, sie waren dennoch ein Team. Sie musste sich eben gedulden.
Kass hoffte, Max-Ernest noch vor dem Unterricht abzufangen, und so hielt sie, kaum dass sie in der Schule war, sofort nach ihm Ausschau. Leider kam sie nicht sehr schnell voran, denn mitten in der Eingangshalle stieß sie auf ein Hindernis, das den Schülerstrom blockierte.
Als sie näher kam, sah sie, dass dieses Hindernis Benjamin Blake war.
Ohne im Geringsten auf die anderen Schüler zu achten, starrte er selbstvergessen auf die Bilder an der Wand, als könnte er kaum glauben, was er da sah. Das Komische daran war: Es waren seine eigenen Bilder. Das verkündete auch die Plakette an der Wand, die ihn als Gewinner des Junger-Leonardo-Wettbewerbs auswies. Auch die Glückwunschschreiben des Bürgermeisters und des Gouverneurs, die neben der Plakette prangten. Und die – ach was, ich denke, du weißt, was ich meine.
Als Kass sich an ihm vorbeidrängelte, hörte sie ihn unverständlich vor sich hin murmeln. Es klang fast wie: »Ich rieche einen Hinweis«, und noch irgendetwas mit Eiscreme.
»Sehe ich etwa aus, als hätte ich Eiscreme?«, erwiderte Kass, die Gemurmel nicht leiden konnte, sogar wenn sie nicht in Eile war. »Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, du stehst allen im Weg. Übrigens finde ich, du solltest nicht deine eigenen Bilder bewundern. Es sieht irgendwie angeberisch aus.«
Benjamin errötete – und floh in die Richtung, aus der Kass gekommen war. Kass setzte ihren Weg fort. Sie war, wie sie sich selbst eingestand, ein wenig taktlos gewesen – schließlich war es nicht Benjamins Fehler, dass er war, wie er war –, aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich über seine Gefühle Gedanken zu machen. Sie musste Max-Ernest suchen.
Kaum war sie ein paar Schritte gegangen, stieß sie auf das nächste Hindernis in Gestalt von Mrs Johnson, die mit zwei Erwachsenen sprach und sie durchs Schulhaus führte. Kass wollte sich gerade an ihnen vorbeischlängeln, als sie mit einem Mal stocksteif stehen blieb. Ihr Herz schlug einen Trommelwirbel.
Sie waren es. Es gab keinen Zweifel. Kass erkannte sie an den Haaren. Und an den Handschuhen.
Sie waren hier, in ihrer Schule.
Kass ließ sich ein paar Schritte zurückfallen und hielt sich den Rucksack vors Gesicht, falls Dr. L oder Madame Mauvais sich umdrehte.
»Nun, fürs Erste sind unsere Fragen beantwortet«, sagte Madame Mauvais mit ihrer schrecklichen Gurrstimme. »Es war ein Vergnügen zu sehen, was für begabte Schüler und Lehrkräfte sie in Ihren Reihen haben.«
»Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben«, fügte Dr. L mit seiner auffällig unauffälligen Stimme hinzu. »Das war sehr entgegenkommend von Ihnen.«
»Keine Ursache«, säuselte Mrs Johnson und strahlte übers ganze Gesicht. »Es ist eine Freude, so engagierte und fürsorgliche Eltern kennenzulernen. Ich bin sicher, Ihr Sohn wird sich bei uns sehr wohlfühlen.«
Ihr Sohn?, dachte Kass. Welcher Sohn?
Dr. L drehte sich um und Kass duckte sich schnell zur Seite. Als sie sich wieder aus ihrer Deckung hervorwagte, waren die beiden verschwunden. Und Mrs Johnson kam geradewegs auf sie zu.
Kass wartete auf die Direktorin und ging dann neben ihr her.
Mrs Johnson hatte einen flotten Schritt, es war gar nicht so einfach mitzuhalten.
»Diese Leute – haben sie nach mir gefragt?«
»Kassandra, wenn du mit mir sprechen möchtest, dann solltest du zuerst sagen: ›Entschuldigen Sie bitte, Mrs Johnson‹, und so lange warten, bis ich dir meine Aufmerksamkeit schenke.«
»Entschuldigen Sie bitte, Mrs Johnson. Habe ich jetzt Ihre Aufmerksamkeit?«
»Ja, die hast du. Und nein, sie
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