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Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Titel: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pseudonymous Bosch
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seltener hat man die Gelegenheit dazu.)
    Ich verzichte an dieser Stelle darauf, Großvater Larrys Geschichte zu wiederholen, um nicht »abzuschweifen«, wie manche Leute das nennen, aber ich werde mich bemühen, dir eine ungefähre Vorstellung davon zu geben.
    Die Geschichte spielt zu einer Zeit, als Larry in der Armee war und von seiner Truppeneinheit getrennt wurde. Eine wichtige Rolle spielt ein Schilfrohr, das Larry am Ufer eines Sees aus der Erde rupfte. An einem einzigen Tag benutzte er es als Unterwasseratemgerät, als Angelrute, als Blasinstrument, als Waffe und als Strohhalm. Als das Schilfrohr abknickte, war er überzeugt, das Glück hätte ihn verlassen. Ohne sein Zauberschilfrohr, dachte er sich, würde er nicht überleben.
    Doch dann stellte sich heraus, dass das Knacken des knickenden Schilfrohrs seine Kameraden auf ihn aufmerksam gemacht hatte, und so war er kurze Zeit später wieder mit ihnen vereint.
    »Du siehst also, nur weil das Schilfrohr abknickte, war das nicht gleich das Ende der Welt, sondern nur das Ende des Schilfrohrs. Und das Ende der Geschichte. Nicht zu vergessen, das Ende dieser Plätzchen«, sagte Großvater Larry und schnappte sich das letzte Stück.
    Ehe Kass etwas sagen konnte, trat Großvater Wayne, der an der Tür gestanden und zugehört hatte, zu ihr ans Bett.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte er. »Es gibt so viel, was man aus dem Schilfrohr hätte machen können, auch nachdem es abgeknickt war. Du hättest Späne daraus machen können oder Zahnstocher. Oder Essstäbchen. Oder eine Flöte, zumindest eine Piccoloflöte. Du erstaunst mich, Larry. Wo ist deine Fantasie geblieben?«
    »Darum geht es doch gar nicht, Wayne, und das weißt du genau!«, sagte Larry so barsch, wie Kass ihn noch nie gehört hatte. »Kass, das mit der Symphonie der Düfte ist nicht wichtig. Was auch passiert ist, es ist nur . . . ein Gegenstand. Ich weiß, dass du weißt, wie sehr wir diese Dinge mögen. Und die Symphonie der Düfte ist wirklich etwas sehr Schönes. Aber, na ja, wenn sie weg ist, ist sie weg.«
    »Stimmt genau. Ich finde, wir könnten eine neue machen«, sagte Großvater Wayne, der endlich begriff, worum es bei Larrys Geschichte eigentlich ging. »Wenn ich’s mir recht überlege, dann habe ich da noch diese alten Glasröhrchen, mit denen ich bisher nichts anzufangen wusste. Wir könnten Düfte sammeln und sie dort hineingeben –«
    »Was wir dir damit sagen wollen, ist, dass Menschen wichtiger sind als Dinge«, unterbrach ihn Larry.
    »Zumindest Kass ist wichtiger«, schränkte Wayne ein.
    »Kass, dass du in unser Leben getreten bist, das war das schönste Geschenk, das wir uns vorstellen können«, fuhr Larry fort, als hätte Wayne nichts gesagt. »Egal, wie viele Kisten Gloria noch anschleppt, nichts darin ist so wertvoll wie du. Wir lieben dich sehr.«
    Er legte den Arm um Kass und sie kuschelte sich dankbar an ihn. »Ich habe euch auch lieb«, sagte sie.
    Über die Symphonie der Düfte verlor sie kein Wort mehr. Und über alles andere auch nicht.
    Nachdem ihre Großväter ihr Gute Nacht gesagt hatten, nahm Kass ihren Rucksack und stellte ihn direkt neben das Kopfkissen.
    Man konnte ja nie wissen.

Kapitel elf
    Das Notizbuch des Magiers

    F ür die meisten Leute ist der Montagmorgen eine Quelle des Grauens. Obwohl Kass in mancher Hinsicht gegen den Strom schwamm, und dazu zählte auch ihre Einstellung den meisten Wochentagen gegenüber, überkam auch sie am Montagmorgen häufig das allergrößte Unbehagen angesichts der schrecklich langen Schulwoche, die vor ihr lag.
    Als sie jedoch an diesem Montagmorgen im Bus saß, fiel es ihr schwer, an die Schule zu denken. Dazu war sie viel zu aufgeregt.
    Am Nachmittag würden sie ihre Nachforschungen wieder aufnehmen.
    Sie rutschte tief in den Sitz, damit die anderen im Bus sie nicht sehen konnten, zog das Notizbuch des Magiers aus ihrem Rucksack und untersuchte es genauer. Es war größer als die üblichen Notizbücher der Schüler und auch flacher. Es hatte keine Spiralheftung, sondern war gebunden. Auf dem braun glänzenden Ledereinband war, wie Kass erst jetzt bemerkte, das ihr inzwischen schon vertraute Art-nouveau-Dekor eingeprägt: die verschlungenen Ranken und Blumen, die auch die Symphonie der Düfte schmückten. Aber Kass war überzeugt, dass das Notizbuch nicht annähernd so alt war. Der Magier hatte es passend anfertigen lassen. Wenn ihre Nachforschungen abgeschlossen waren, konnte sie ihre Großväter ja danach

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