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Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Titel: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pseudonymous Bosch
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Fingernägeln kaust, bis sie zu bluten anfangen.
    Okay. Hast du alles Nötige parat?
    Hier ist sie nun, die Geschichte des Magiers, und zwar in seinen eigenen Worten.
    La Storia Della Mia Vita
    Die Geschichte meines Lebens
vo n Pietro Bergamo
    Trau niemals einem Magier. Denn wir benutzen Wörter, um dich abzulenken. Sieh dir nur mal meinen hübschen Schal an, sagen wir, damit du nicht unsere rasche Handbewegung bemerkst, wenn sich das Kaninchen in Luft auflöst. Doch nun schreibe ich dir als Mann und nicht als Magier und ich verspreche dir, meine Geschichte ist wahr. Wie sehr wünschte ich, sie wäre es nicht! Denn sie erzählt von der Tragödie meiner Kindheit und von einem schrecklichen Geheimnis, das nichts als Elend und Tod mit sich bringt. Mein Bruder Luciano und ich, wir wurden in einer kleinen Stadt in Italien geboren in der Zeit zwischen den Kriegen. Wir waren Zwillinge – keine eineiigen, sondern zweieiige. Wobei diese Unterscheidung nutzlos ist, wie ich glaube. Ja, wenn man uns genauer betrachtete, gab es viele Unterschiede – wie zum Beispiel das Muttermal im Nacken meines Bruders Luciano, das die klare Form einer Mondsichel hatte. Aber in unseren Herzen, da waren Luciano und ich eins. Als wir neun Jahre alt wurden, änderte sich mit einem Schlag unser Leben. Es wurde, wie man so sagt, auf den Kopf gestellt. Ein schrecklicher Mann kam in Italien an die Macht und unsere ganze Familie war in Gefahr. * Obwohl unsere Eltern unter Beobachtung standen, schafften sie es, für meinen Bruder und mich eine Überfahrt mit dem Schiff nach Amerika zu organisieren. Sie versprachen uns, so bald wie möglich nachzukommen, aber wir wussten, dass das nicht so bald möglich sein würde.
    * Dieser schreckliche Mann war der italienische Diktator Benito Mussolini. Als Kind war er von der Schule geflogen, weil er einen Schüler niedergestochen und den Lehrer mit einem Tintenfass beworfen hatte. Sein Charakter besserte sich nicht, trotzdem war ihm das Glück gewogen. Er regierte Italien mit »eiserner Faust« und zwang alle Bürger des Landes – auch die Lehrer –, ihm blinden Gehorsam zu schwören. Was nur wenige wissen, Mussolini war auch ein Schriftsteller. Ich finde das nur folgerichtig. Der Autor eines Romans ist wie ein Diktator: Er bringt alle Figuren dazu, genau das zu tun und zu sagen, was er will. Zieh bitte keine voreiligen Schlüsse über jene Sorte Mensch, die Romane schreibt. Nicht alle Schriftsteller sind machthungrige Männer – manche von ihnen sind machthungrige Frauen.
    Vielleicht auch nie. Es war schmerzvoll für meinen Bruder und mich, in so jungen Jahren die Heimat zu verlassen, aber wenigstens hatten wir uns. Während der Überfahrt wichen wir einander nicht von der Seite. Als Abschiedsgeschenk hatte unser Vater uns ein altes Buch mit Zaubertricks gegeben und wir verbrachten die Tage damit, Kartentricks zu üben und die Schiffsbesatzung damit zu unterhalten. Abends, wenn wir uns schlafen legten, malten wir uns das neue Leben in Amerika aus und träumten davon, weltberühmte Magier zu werden. Unsere Mutter hatte eine Cousine in Kansas City. Wir freuten uns darauf, sie zu besuchen, weil wir die Geschichte vom Zauberer von Oz kannten und wussten, dass es in Kansas Wirbelstürme und Abenteuer gab. Was wir nicht wussten (bis es zu spät war), dieses Kansas City liegt in Missouri, über sechzig Meilen von Topeka, der Hauptstadt von Kansas, entfernt, wo mein Bruder und ich aus dem Zug stiegen. Es war mitten in der Nacht und wir froren und waren hundemüde, weil wir stundenlang durch die Straßen von Topeka gewandert waren, als wir vor uns eine wundervolle Glitzerwelt sahen: einen Zirkus. Leider hatten wir kein Geld und so konnten wir nicht in das große Zelt hinein, das von den Zirkusleuten Chapiteau genannt wird. * Also spähten wir heimlich durch eine Zeltklappe und sahen Pferde galoppieren, Clowns jonglieren, ja sogar einen mageren alten Tiger durch einen Feuerreifen springen. Am meisten beeindruckte uns der Zirkusdirektor, prächtig anzusehen mit Zylinderhut und Frack. Damals konnten wir nicht gut Englisch, aber am Klang seiner Stimme verstanden wir, was er sagte, und am Beifall des Publikums. Ich hätte schwören können, dass er uns während der Vorstellung entdeckte und uns zuzwinkerte. Als würde er uns kennen und als wären wir Ehrengäste, obwohl wir draußen standen und keine Eintrittskarte bezahlt hatten. Als die Vorstellung zu Ende war, strömten wir mit den Zuschauern zu den Buden. Es war ein

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