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Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Titel: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pseudonymous Bosch
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Ist das zu glauben? Er ist unser Renaissance-Mann. Wir verneigen uns vor dir, Itamar.«
    Diesmal war der Applaus kräftiger. Itamar neigte den Kopf ganz leicht, dann sank er wieder auf seinen Stuhl.
    »Ihr alle hier, ihr mutigen Geister, seid Zeugen unseres Erfolgs. Jedes Jahr werden unsere Elixiere stärker und unser Leben wird länger. Und doch . . .« Madame Mauvais’ Stimme wurde düster. »Und doch, das können wir nicht leugnen, ist uns der allerletzte Triumph versagt geblieben. Wir nennen uns Meister der Mitternachtssonne – aber wir jagen ihr immer noch hinterher! Wir haben noch nicht gesiegt . . .« Mit funkelnden Augen breitete sie die Arme aus und rief: »Bis jetzt!«
    Hinter der verborgenen Tür schüttelte Max-Ernest den Kopf. »Das gibt’s doch nicht. Nie und nimmer. Hundertfünfzig oder so kann ich mir ja noch vorstellen, aber –«
    »Du hast doch ihre Hand gesehen!«, flüsterte Kass.
    »Ja, aber die Leute würden das doch merken. Es würde in Büchern stehen.«
    »Psst!«
    Die Versammelten waren plötzlich verstummt. Dr. L hatte seinen Platz auf der anderen Seite des Feuers eingenommen. Darauf hatten alle gewartet.
    »Für einen Säugling sind die fünf Sinne noch zu einem einzigen vereint.« Er klang halb wie ein Arzt, halb wie ein Priester. »Die Welt ist eine Mischung aus Licht, Klang, Geruch, Geschmack und Berührung – und vielleicht noch ganz anderer Sinneswahrnehmungen, die wir nicht kennen. Wenn der Säugling älter wird, trennen sich die Sinne voneinander und sie vergessen, dass sie einmal eine Einheit und in vollkommenem Gleichklang waren.«
    Während er sprach, beobachtete Dr. L seine Zuhörer, schätzte ihre Reaktionen ab, stellte sicher, dass er ihre volle Aufmerksamkeit genoss. In gewisser Weise war er noch immer der Zirkuskünstler seiner Kindheit. Dennoch deutete sein weißer Smoking eher auf ein Opferritual als auf einen Zaubertrick hin.
    »In unseren Augen ist die Erwachsenenwelt die Wirklichkeit. Aber was, wenn es genau umgekehrt ist und die Wirklichkeit verloren gegangen ist? Was, wenn die Welt des Säuglings wahrhaft wirklich ist, eine Welt, in der alles und jeder miteinander in Verbindung steht?« Dr. L machte eine dramatische Pause, dann deutete er auf etwas, das sich hinter der Feuer-schale befand. »Es gibt nur wenige, die so sind wie dieser Junge hier, nur wenige, die bis ins Erwachsenenalter an der ursprünglichen Welt festhalten, an der wirklichen Wirklichkeit.«
    Max-Ernest schnappte nach Luft und Kass schlug die Hand vor den Mund.
    Dr. L war zur Seite getreten und der Feuerschein erleuchtete eine schmale Gestalt. Benjamin war gefesselt und saß in einem merkwürdigen, überaus kompliziert aussehenden Sitz, der die denkbar scheußlichste Mischung aus einem Zahnarztstuhl und einem elektrischen Stuhl war. Sein geschorener Kopf war unnatürlich weit zurückgebogen und seine geschlossenen Augen zuckten. Um ihn herum hingen verschlungene Kabel und verschiedene Glasröhrchen, als bekäme er Infusionen.
    Er schien zu schlafen, aber er war sehr unruhig.
    »Für diese Glücklichen ist das Leben ein Regenbogen aus Empfindungen. Man bezeichnet es als Synästhesie«, fuhr Dr. L fort. »Ihre Gehirne sind wie Schatzkammern. Denn sie enthalten das Geheimnis, nach dem wir schon so lange suchen.«
    Wie um den Worten Nachdruck zu verleihen, fing Benjamin heftig an zu zittern. Draußen, in dem schmalen Geheimgang, sahen Kass und Max-Ernest gebannt zu. Es fiel ihnen nicht schwer, sich vorzustellen, wie in Benjamins Gehirn unbeschreibliche Dinge abliefen.
    »Über Jahrhunderte hinweg haben wir, die getreuen Anhänger der Wahren Wissenschaft, den sogenannten Stein der Weisen gesucht, indem wir Metall geschmolzen, chemische Substanzen vermischt oder im Staub gegraben haben. Wir haben überall nachgeforscht, nur an dem einen Ort nicht, an dem wir vielleicht fündig geworden wären – im Gehirn des Weisen selbst.«
    Dr. L hielt ein kleines Stäbchen hoch. Es war schmal und dünn und an einem Ende gebogen. Es sah sehr alt aus.
    »Mit diesem Schilfrohr haben die Ägypter die inneren Organe der Toten entnommen. Wir werden es in ganz ähnlicher Weise benutzen, auch wenn wir heute Nacht keine Mumie herstellen wollen. Jedenfalls nicht ganz.«
    Seine Zuhörer kicherten widerlich, als spräche er über ein ungewöhnliches, aber wohlschmeckendes Gericht.
    »Zuerst werden wir durch die Stirnhöhle gehen . . . etwa hier . . . dann weiter hinauf, um Rückenmarksflüssigkeit aus dem Ventrikelsystem zu

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