Der Narr
schüttelte den Kopf und spottete weiter. Immer wieder rief er »Füchterix«. Erst als ihn jeder ignorierte, hörte er allmählich auf.
Sam hatte damit gerechnet, dass gerade die ›Herrin der See‹ vor einem Tsunami stehen würde. Doch sie wirkte am wenigsten beeindruckt von den Vorfällen bei der Pyramide. Das Wasser blieb so ruhig, man hätte sich darin spiegeln können. Sie spielte mit ihren Fingernägeln, seufzte ein paar Mal und starrte gelangweilt aus dem Fenster. Dann und wann machte sie sich laut Gedanken darüber, wie sie wieder zur Pyramide zurückkehren könnte, um ihr Auto startklar zu machen. Ihre größte Sorge dabei waren die Kosten.
Lediglich Ceallach und Marion verhielten sich so, wie Sam es sich erwartet hätte. Sie waren bleich und zitterten. Während Ceallach immer wieder tief aufseufzte, blieb Marion stumm. An ihren Augen konnte er erkennen, dass sie kurz davor war, loszuheulen.
Sam schaltete das Autoradio ein, in der Hoffnung, die Situation entspannen zu können. Es dauerte einige Zeit, bis auf dem Uraltradio mit kyrillischer Beschriftung ein Sender zu finden war.
Als Nick Caves und Kylie Minogues ›Where the wild roses grow‹ aus dem Autoradio drang, jubelte Phil. Der Schönling sang laut mit: »So kissed her good bye, because all beauty must die«, und fand seine Performance dabei offensichtlich auch noch spaßig.
»Was ist das bloß für eine Karre?«, grummelte er mürrisch nachdem der Song zu Ende war. »Wie kann man mit so einer Sowjetproduktion überhaupt noch fahren?«
»Halt endlich mal deine Fresse!«, zischte Sam. »Wenn dir das Auto nicht passt, kannst du gerne den restlichen Weg zu Fuß gehen.«
Er musste wieder an den Besitzer dieser ›sowjetischen Maßarbeit‹ denken. Nicht nur, dass er ihnen freiwillig in einer dünn besiedelten Gegend einfach so sein Auto angeboten hatte. Er hatte sie alle angesehen, als hätte er sie erwartet. Sein Auftreten konnte kein Zufall gewesen sein.
»Der Genosse wollte sicher Verschrottungskosten sparen«, ätzte der Schönling weiter. »Eigentlich müsste man dafür Geld bekommen, sich in diese Sowjetproduktion zu setzen. Vor allem wenn Ceallach fährt.«
»Phil, sag uns doch endlich, was zwischen dir und Alice vorgefallen ist«, zischte Sam. Es gab für ihn keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten.
»Dir sag ich gar nichts, Nerdie«, fuhr Phil erwartet scharf zurück. »In Wien gehe zur Polizei. Hätte ich gewusst, dass ich wegen dir auf eine Verdächtigenliste komme, wäre ich gleich zum Freund und Helfer gegangen.«
Sams Blicke richteten sich auf Nimue. Nachdem sie ihm bei der Pyramide ins Ohr geflüstert hatte, dass Phil vom T-Shirt wusste, war ihm klar geworden, dass er in ihrer Hand war: Er hatte niemanden zuvor vom T-Shirt erzählt. Allmählich war es an der Zeit, dass sie ihr Versprechen einlöste, Sam zu schützen.
»Phil, du lässt Sam schön in Ruhe!«, fuhr ihn Nimue sichtlich gereizt an.
Doch der Schönling bleckte seine Zähne zu einem überheblichen Grinsen und winkte ab, als wäre sie ein Nichts. Sam sah aus dem Augenwinkel heraus, wie die Hexe nun richtig zornig wurde: Der Tsunami war am Anrollen.
»Ich weiß, was ich gesehen habe«, knurrte Phil und beugte sich zu Nimue. »Ich laufe nicht als Zielscheibe für einen Psychopathen rum, nur weil meine Unschuld nicht offiziell bewiesen ist.«
»Dass du Sam mit einem blutigen T-Shirt gesehen hast, reicht nicht«, gab die Hexe sichtlich gedämpft zurück. Sam wurde unruhig. Wieso wurde die sonst so emotionale Hexe wieder defensiv? Sie hatte ein Druckmittel gegen Phil. Warum spielte sie es nicht aus?
»Du brauchst nicht glauben, dass ich ihn verschone, weil er dein Ritualknabe ist, Häschen«, sagte er und tätschelte ihre Wange.
Nimue packte seine Hand. Endlich tat sie das, was Sam von ihr erwartete: »Vergiss nicht, ich hab dich bei den Eiern!«
Ihre Worte schlugen ein, als wäre das Auto über eine Mine gefahren, allerdings rechnete niemand mit dem, was nun geschah. Kurz war es still, doch dann brüllte Marion auf und schlug Nimue mit der Faust ins Gesicht. Mit den Fäusten trommelte sie weiter auf ihre Sitznachbarin ein.
»Du Bestie! Wenn du es auch nur wagst!«, brüllte Marion.
Ceallach bremste, die Reifen quietschten. Phil prallte mit dem Kopf gegen den Vordersitz und Sam drückte seine Hände gegen die Armatur des Beifahrersitzes, um nicht aufzuschlagen.
»Seid ihr beiden total verrückt?«, brüllte Ceallach. »Sollen wir hier alle zugrunde gehen?«
Phil
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