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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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wenigen Tagen im Haus Vaterland davon abgeraten hatte, am Samstagabend auszugehen.
    »Warnen? Wie stellst du dir das denn vor? Einem Spitzel kannst du grundsätzlich nicht trauen. Schon dass sie für dich arbeiten,
     ist Beweis genug, dass sie keinen Charakter haben. Und so einem willst du vertrauliche Informationen zukommen lassen? Dann
     doch lieber so eine krumme Nummer, wie du es nennst.«
    Das leuchtete ein. Rath beschloss, Bruno besser nichts von dem Treffen im Haus Vaterland zu erzählen. Dass er Krajewski gewarnt hatte.
    »Glaub mir, es ist gar nicht so verkehrt, wenn solche Typen auch mal von uns eingesackt werden. Kannst du dich noch an unsere
     Hausdurchsuchung bei Kaiser Wilhelm erinnern? So was verschafft Respekt. Ab und zu müssen die Jungs daran erinnert werden,
     dass sie auf dünnem Eis stehen, sonst werden sie übermütig. Außerdem sind deine Spitzel bei ihren eigenen Leuten glaubwürdiger,
     wenn sie ab und zu auch mal Ärger mit den Bullen haben.«
    »Aber nicht, wenn sie vorzeitig entlassen werden.«
    »Das bekommt doch kein Mensch mit. Für ihre Kumpels in derZelle sieht das so aus, als würden sie zum Verhör geführt und von uns in die Mangel genommen. Und ihrem Freund und Gönner
     sind sie nach ihrer unverhofften Freilassung wieder ein paar Gefallen schuldig. So läuft das. Du musst dir deine Informanten
     gefügig halten. Es passiert schnell, dass so einer frech wird. Dann musst du ihm zeigen, wer der Chef ist. Wer es in der Hand
     hat, ob er Schwierigkeiten bekommt oder nicht.«
    Kurz darauf saß Rath wieder im Verhörzimmer und arbeitete die Liste weiter ab. Namen für Namen. Vom Rest ihres Fangs aus der Bar Noir war niemand vorzeitig entlassen worden, einen nach dem anderen ließ er sie aus dem Zellentrakt herüberbringen. Ergiebig waren
     die Verhöre nicht, aber ein paar Kunden konnte er immerhin an andere Abteilungen weiterreichen. Alles kleine Fische. Ein Drahtzieher
     des organisierten Lasters fand sich nicht gerade in dem bunt zusammengewürfelten Haufen. Raths vorerst letzter Tag in der
     Inspektion E war auch einer der langweiligsten. Es fiel ihm immer schwerer, sich zu konzentrieren. Er merkte, wie er sich
     gedanklich langsam vom Sittendezernat verabschiedete.
    Seine Gedanken kreisten schon um die Inspektion A. Das heißt: Eigentlich kreisten sie um ein besonders schönes Gesicht in
     der Inspektion A.
    Er hatte warten müssen. Nicht nur, dass seine Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde, die Leute schauten ihn mittlerweile
     auch ein wenig merkwürdig an, wie er da am Bauzaun stand und immer wieder zum roten Backsteingebirge des Polizeipräsidiums
     hinüberschaute. Er nahm es als die gerechte Strafe für sein idiotisches Verhalten gestern. Und dann wurde er für sein Warten
     belohnt. Sie kam. Mit energischen Schritten stiefelte sie auf die Lücke zwischen den Bauzäunen zu, die die Fußgänger durch
     das Gewirr der Baustellen sicher zum Bahnhof Alexanderplatz leiteten, noch im Gehen knöpfte sie sich den Mantel zu. Rath zog
     sich in den Winkel zurück, den zwei Bauzäune hier bildeten, und wartete, bis sie an ihm vorbeigelaufen war. Sie hatte ihn
     nicht bemerkt. Es war gar nicht so einfach, mit ihr Schritt zu halten, einige Passanten, dieer anrempelte, murrten. Doch schließlich hatte er sie überrundet und hielt ihr im Laufen den Strauß Rosen vor die Nase, den
     er eine knappe Stunde zuvor im Bahnhof gekauft hatte.
    Er hätte Charly auf der Stelle umarmen können, als er ihr Gesicht sah, in dem sich mehrere Gemütszustände in schneller Folge
     abbildeten. Zunächst Überraschung, dann, als sie ihn erkannte, so etwas wie Empörung, und darüber drängte sich ein Lächeln
     in ihr Gesicht, das sie aber nicht zulassen wollte und das sich mit der empörten Miene einen Zweikampf lieferte. Charly war
     zwar kurz stehen geblieben, doch nun rannte sie weiter. Rath folgte ihr, wedelte mit den Rosen, setzte sein charmantestes
     Männer-sind-doch-alle-kleine-Jungen-Grinsen auf und verhalf dem Lächeln in ihrem Gesicht so zu einem endgültigen Sieg. Als
     er sah, wie sich ihr Grübchen formte, wusste er, dass er gewonnen hatte. Er hätte laut hurra schreien können, riss sich aber
     zusammen. Sie blieb stehen.
    »Und ich hatte schon befürchtet, das hier wird ein Marathonlauf«, sagte er und reichte ihr die Blumen.
    »Ausgeschlafen?«, fragte sie. Doch dabei lächelte sie, und seine Seele machte einen Freudensprung.
    »Wozu? Geschlafen wird am Monatsende.«
    Endlich nahm sie

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