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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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die Blumen und roch daran. »Schön sind die«, meinte sie. »Selbst gepflückt?«
    »Frisch aus der Asservatenkammer.«
    »Und was soll ich jetzt damit? Ich sehe nirgendwo eine Vase.«
    »Na, dann essen wir sie am besten gleich hier.«
    Sie lachte.
    Und dann nahm er sie endlich in den Arm.
    Kurz darauf standen sie in der Dircksenstraße vor Weinerts Buick. Der Journalist hatte ihm den Gefallen getan, nachdem Rath
     ihm am Telefon ein paar Exklusivinformationen über die gestrige Razzia versprochen hatte. Noch wusste die Journaille überhaupt
     nichts von der Aktion. Weinert hatte nicht lange gezögert und ihm die Wagenschlüssel gebracht. Natürlich nicht direkt in die
     Burg, sie hatten sich auf ein Bier in der Letzten Instanz getroffen.Danach waren beide zurück an ihre Arbeit gegangen, Weinert in seine Redaktion in der Kochstraße und Rath mit einem Autoschlüssel
     in der Tasche ins Präsidium. Die restlichen Namen auf der Liste hatte er in Windeseile abgearbeitet.
    Und jetzt stand er vor dem Buick, klimperte mit dem Schlüsselbund und genoss ihre großen Augen.
    »Deiner?«, fragte sie.
    »Wenn ich Frauen beeindrucken will, besorge ich mir immer ein Auto.«
    Er öffnete die Beifahrertür wie ein geübter Chauffeur und ließ sie einsteigen.
    »Danke, Johann.« Sie hatte ihr Kinn vorgereckt und klang seltsam nasal. »Sie können heute etwas früher Feierabend machen.
     Und wenn Sie den Wagen gewaschen haben, kommen Sie bitte in mein Schlafgemach.«
    »Sehr wohl, gnädige Frau!«
    »Fräulein, bitte!«
    »Fräulein? Na, das wüsste ich aber …«
    »Werden Sie nicht frech!« Sie schüttelte entrüstet den Kopf. »Tss, tss! Diese Dienstboten heutzutage. Solche Unverschämtheiten
     hätte es unter dem Kaiser nicht gegeben!«
    Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Der Chauffeur erdreistete sich und gab dem gnädigen Fräulein einen Kuss, einen langen
     sogar, ließ den Motor an und fuhr los. Zuerst ging’s nach Moabit, schließlich mussten die Rosen ins Wasser. Dass er auch neugierig
     war, wie sie wohl wohnte, sagte er nicht. Er nahm die Touristenstrecke, chauffierte sie am Schloss vorbei und dann über die
     Linden durchs Brandenburger Tor, vorbei an Reichstag und Siegessäule über die Spree. Sie fuhren mit offenem Verdeck, und er
     wäre vor Freude lieber geflogen als gefahren, wie er sie da neben sich sitzen sah, wie ihr das schwarze Haar ins Gesicht wehte
     und sie vor Vergnügen jauchzte.
    Leider brauchten sie keine Viertelstunde bis in die Spenerstraße. Und er musste im Wagen warten.
    »Das ist besser so«, sagte sie. »Greta weiß überhaupt noch nichtsvon dir. Nicht dass die Ärmste aus allen Wolken fällt. Die ist im Moment nicht so gut auf Männer zu sprechen.«
    Kurz darauf saß sie wieder im Auto. Er war sich nicht sicher, aber er hätte fast darauf gewettet, dass sie frisch geschminkt
     war. Außerdem trug sie einen anderen Mantel.
    »Und wohin geht’s jetzt?«, fragte sie.
    Er schaute auf die Uhr. »Gleich acht, ich denke, es ist Zeit für ein schönes Abendessen. Und wenn man schon ein Auto hat,
     dann sollte man auch ins Grüne fahren. Immerhin haben wir Sonntag.«
    Das Restaurant Bellevue lag direkt am Tegeler See. Sie saßen auf der Terrasse und schauten der Sonne beim Untergehen zu.
    »Einen schönen neuen Anzug hast du da«, sagte sie.
    Rath zuckte mit den Schultern. »Findest du? Ich brauchte mal was Neues für den Dienst. Morgen habe ich nämlich meinen ersten
     Tag in einer anderen Inspektion.«
    Ihr Gesicht war mit Geld nicht zu bezahlen.
    »Nein!«, sagte sie.
    »Doch!« Er genoss ihre Überraschung. »Ich soll mich Punkt acht Uhr bei Gennat melden. Das ist ein Befehl. Von Lanke persönlich.«
    »Das wird aber hart. Dann laufen wir uns ja ständig über den Weg.«
    »Ich kann mir Schlimmeres vorstellen.«
    »Du weißt schon, was ich meine.« Sie seufzte. »Kein Mensch darf uns zusammen sehen. Offiziell kennen wir uns kaum. Wir müssen
     uns siezen.«
    »Dann sollten wir aber schnell Brüderschaft trinken! Vor den Augen aller Kollegen, meine ich natürlich.«
    »Mein Gott, Gereon! Ich weiß gar nicht, ob ich mich so zusammenreißen kann.« Sie wirkte ernsthaft bestürzt.
    »Morgen bist du ja erst mal gar nicht im Dienst.«
    »Ein Glück! Da hab ich wenigstens noch ein paar Tage Zeit, mich seelisch auf die neue Situation vorzubereiten.«
    »Ist ja nur vorübergehend. Keine Ahnung, wie lange so ein Gastspiel dauert.« Er wollte ihr nicht alles sagen, vor allem nicht,
     welche Rolle sein

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