Der nasse Fisch
bei den Kriminellen.«
Das Haus in der Nürnberger Straße lag dunkel da, als Rath nach Hause kam. Er hatte Charly noch in die Spenerstraße gebracht,
sie hatte darauf bestanden. Keine gemeinsame Nacht. Aber sie hatten noch lange vor dem Haus im Auto gesessen und sich geküsst.
Rath hätte darauf wetten können, dass Greta, wenn sie nur einmal zufällig aus dem Fenster geschaut hätte, mehr gesehen hätte,
als wenn er mit Charly hoch in die Wohnung gegangen wäre. Aber wenn sie ihre Grundsätze hatte, wollte er die respektieren.
Er zog den Schlüssel ab, nachdem er den Buick direkt vor der Haustür geparkt hatte, und klappte das Verdeck zu. In den vergangenen
Nächten hatte es so häufig Gewitter gegeben, man konnte nie wissen. Auch jetzt lag wieder eine unangenehme Schwüle in der
Luft.
Im Haus war alles still. Er klopfte leise an Weinerts Zimmertür. Keine Reaktion. Ob er immer noch in der Redaktion war? Auch
ein zweites Klopfen wurde nicht erwidert. Rath öffnete die Tür. Weinert hätte es auch nicht anders gemacht. Der Lichtschein
aus dem Flur fiel auf ein leeres Bett. Der Journalist war tatsächlichnoch nicht zu Hause. Vielleicht hatte der ja eine Freundin, bei der er über Nacht bleiben konnte. Rath seufzte, als er an Charly dachte, die jetzt alleine in ihrem
Bett lag.
Er tastete neben der Tür nach dem Lichtschalter. Wenn sowieso niemand zu Hause war, dann gab es auch keinen Grund, dass er
sich hier im Dunkeln das Schienbein an einem Stuhl stieß, der womöglich mitten im Raum stand. Das Licht der Glühbirne zeigte
ihm, dass alles an seinem Platz war. Weinerts Zimmer sah aus wie immer. An der Seite das leere Bett, am Fenster der Schreibtisch
mit einem Stuhl davor. Weinerts Kleiderschrank wirkte ebenso monströs wie der in Raths Zimmer. Der augenfälligste Unterschied
in der Einrichtung waren der Schreibtisch und das große Bücherregal.
Wohin mit den Autoschlüsseln? Das Chaos auf dem Schreibtisch schien ihm fast zu groß, um noch etwas daraufzulegen. Dann fiel
sein Blick auf die Schreibmaschine. Wenn er den Schlüssel auf die Tasten legen würde? So was konnte ein Journalist doch gar
nicht übersehen. In der Maschine steckte noch ein Bogen Papier. Als Rath näher kam, sah er, dass das Blatt fast vollständig
beschrieben war. Sah fast so aus, als habe Weinert es heute Morgen nach dem Streit mit der Behnke vergessen. Ob er es in der
Redaktion vermisst hatte?
Er wollte sich wieder abwenden, um ein sinnvolleres Depot für den Autoschlüssel zu suchen, als ihm zwei Worte in der Überschrift
über dem Artikel ins Auge stachen.
Rote Festung .
Es dauerte einen Moment, bis er sich erinnerte. Natürlich, das war der Verein, den Generalmajor Seegers ihm genannt hatte.
Die Rote Festung. Der kommunistische Geheimbund. Kardakows kommunistischer Geheimbund.
Was will die Rote Festung? lautete die komplette Überschrift über dem Artikel in der Schreibmaschine.
Rath wunderte sich. Wie kam Weinert dazu, sich über dieselbe kommunistische Sekte Gedanken zu machen, die Gereon Rath während
seiner Ermittlungen in Sachen Kardakow begegnet war?Das war doch ein seltsamer Zufall. Und dann fiel der Groschen. Die Erklärung war so offensichtlich, dass man erst darüber
stolpern musste.
Berthold Weinert hatte Alexej Kardakow gekannt.
Der Journalist lebte länger als ein Jahr in der Nürnberger Straße. Und so lange war er der Nachbar des verschwundenen Alexej
Kardakow gewesen! Und Rath hätte darauf wetten können, dass Berthold Weinert mehr über seinen Nachbarn wusste als Elisabeth
Behnke über ihren Mieter. Der Mann war Journalist.
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N un also saß er der Legende gegenüber. Denn genau das war Kriminalrat Ernst Gennat. Buddha wurde der Chef der Mordinspektion genannt. Seiner stoischen Ruhe wegen, aber mehr noch aufgrund seiner Leibesfülle, die ihm
von weniger respektvollen Zeitgenossen auch den Spitznamen der volle Ernst eingetragen hatte. Gennats Leidenschaft für Kuchen war in der ganzen Stadt bekannt. Früher hatte er sogar das Mordauto auf
dem Weg zu einem Einsatz oft an einer Konditorei halten lassen. Erst mit reichlich Kuchen im Gepäck ging es dann weiter zum
Tatort. Das war schon ein paar Jahre her, mittlerweile fuhr Gennat selbst nur noch höchst selten hinaus. Das war auch nicht
mehr nötig, denn die Mordinspektion, wie er sie am Alex aufgebaut hatte, war mit handverlesenen Beamten besetzt und konnte
die erfolgreichste Aufklärungsquote in der
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