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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ganzen Burg aufweisen. Meist blieb Gennat in seinem fast wie ein Wohnzimmer eingerichteten
     Büro sitzen, aß Kuchen und zog die Fäden. Er wusste über alle Ermittlungen Bescheid, besonders knifflige Verhöre übernahm
     er immer noch selbst, sein psychologischer Scharfsinn war berüchtigt. Er hatte schon die abgebrühtesten Kerle dazu gebracht,
     ihm ihr Herz auszuschütten.
    Rath konnte sich das lebhaft vorstellen, jetzt, wo er dem Manngegenübersaß, dem dieser Ruf vorauseilte. Gennat wirkte gemütlich, fast schläfrig, und schien sein Doppelkinn mit einem gewissen
     Stolz zu tragen. Doch Rath ließ sich nicht täuschen, aus diesem weichen Gesicht blitzten zwei wache Augen. Zwei Augen, die
     den neuen Kommissar jetzt neugierig anschauten.
    Sie hatten nicht am Schreibtisch Platz genommen, sondern an einem Wohnzimmertisch, an dem zwei grüne Sessel und ein grünes,
     durchgesessenes Sofa standen. Gerade hatte sich die Tür zum Vorzimmer geöffnet, und Gertrud Steiner, Gennats langjährige Sekretärin,
     balancierte ein Tablett mit Tee und einer üppigen Kuchenauswahl an den Tisch. Während sie den Männern den Tee einschenkte,
     übernahm Gennat selbst das Verteilen des Kuchens. Rath bat um Nusskuchen, mehr konnte er um diese Uhrzeit nicht vertragen.
     Gennat schaufelte sich selbst ein riesiges Stück Stachelbeertorte auf den Teller.
    »Danke, Trudchen.« Gennat sank zurück in die grünen Polster. »Lassen Sie es sich schmecken, Herr Rath«, sagte er und nahm
     einen Schluck Tee. »Sie sind noch nicht lange in Berlin?«
    »Knapp zwei Monate.«
    »In welcher Inspektion?«
    »E.«
    »Und vorher waren Sie in Köln?«
    »Ja.«
    »Schon einmal in einem Mordfall ermittelt?«
    »Mehrfach. In Köln haben wir keine feste Mordinspektion wie hier, aber es gibt Spezialisten. Und bei Tötungsdelikten wurde
     meistens ich hinzugezogen.« Verkauf dich so gut wie möglich, dachte er.
    Gennat schien das nicht zu beeindrucken. »Man hat mir Ihre Dienste sehr ans Herz gelegt. Der Herr Polizeipräsident kennt Sie
     von früher?«
    »Richtig. Ich habe unter Herrn Zörgiebel schon in Köln gearbeitet. Er hat mir dort auch schon die Leitung von Ermittlungen
     anvertraut.«
    Gennat nickte und nahm eine Gabel von dem Kuchen. Rathnutzte die Pause und biss ein Stück von seinem Nusskuchen ab. Er nickte anerkennend. Der beste, den er in Berlin bislang gegessen
     hatte. Gennat wusste, wo man einkauft.
    »Nun, Herr Rath, hier bei uns werden Sie erst einmal in einer bereits eingearbeiteten Truppe eingesetzt. In der Mordkommission Möckernbrücke brauchen wir jeden Mann.«
    Mordkommission Möckernbrücke war der offizielle Name für den Fall Wassermann . Von wegen verantwortungsvolle Aufgaben! Wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Also doch Handlangerdienste. Rath
     versuchte, seine Enttäuschung hinunterzuschlucken, und griff zur Teetasse.
    »Dieser Fall macht uns zurzeit zu schaffen«, fuhr Gennat fort, »ein unbekannter Toter. Sie haben davon gehört, wir haben die
     anderen Inspektionen vergangene Woche informiert. Die Sache war in allen Zeitungen …«
    Rath ahnte, was jetzt kam. Richtig.
    »… leider hat auch das dem Kollegen Böhm kaum verwertbare Hinweise gebracht. Aber Böhm ist ein erfahrener Mann. Sie werden
     viel von ihm lernen können.«
    Da hatte der gute Zörgiebel seinen alten Duzfreund Engelbert Rath ja schön hinters Licht geführt. Von wegen Bewährungsprobe.
     Dem Polizeipräsidenten ging es nur darum, möglichst viele Leute auf den Fall anzusetzen, in den er sich verbissen hatte.
    »Glauben Sie mir, Herr Kriminalrat, es ist eine große Ehre für mich, in der Mordinspektion arbeiten zu können.«
    »Reden Sie mal nicht so hochgestochen, mein lieber Rath! Eine Ehre ist das nicht, das ist eine verdammte Knochenmühle, das
     sollten Sie wissen. Von einem geregelten Feierabend können Sie sich schon mal verabschieden …«
    Die Tür flog auf, und Gertrud Steiner stürmte in den Raum. Ohne Teekanne. Gennat schaute irritiert auf.
    »Was ist denn, Trudchen? Ich wollte doch nicht gestört werden!«
    »Herr Kriminalrat, deswegen komme ich ja! Weil ich Sie stören muss ! Ich habe da ein Telefonat, das sollten Sie annehmen!«
    »Na, dann stellen Sie mal durch.« Gennat stand auf, die Sekretärin ging zurück ins Vorzimmer. Kaum hatte sie die Tür geschlossen,
     klingelte das Telefon auf Gennats Schreibtisch. Er hob ab.
    »Ja?«
    Sein Blick, der gerade noch dem zurückgelassenen Kuchenteller nachgetrauert hatte, wurde

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