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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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mehr zu sehen als blaue Uniformen. Neben der Baugrube hatten die Männer vom Erkennungsdienst
     mit ihrer Arbeit begonnen. In einer kleinen Wanne rührten sie Gips an, um Fußspuren damit auszugießen.
    Aus einer Gruppe Bauarbeiter löste sich ein stämmiger Mann und kam ihnen entgegen.
    »Das ist der Polier«, sagte der Schupo, »der kann Ihnen alles zeigen.«
    Der Arbeiter begrüßte sie mit einem Nicken, als er sie erreicht hatte. Er trug eine weiße Latzhose und einen blauen Wollpullover,
     an dem überall hart gewordener Gips und Beton hingen. Seine Haare wurden bereits grau. Er musste gegen die Sonne blinzeln,
     als er zunächst Czerwinski und dann Rath anschaute.
    »Na, denn kommense man mit, die Herren«, sagte er und stiefelte los.
    Die Sonne schien, doch immer noch glitschte der Boden vom Regen der vergangenen Nächte. Die Männer fluchten, als der Polier
     sie quer über die Baustelle führte. Überall Matsch, Schlamm und Pfützen. Sie hatten alle möglichen Dinge im Mordauto, sogar
     ein kleines Chemielabor, aber an Gummistiefel hatte niemand gedacht.
    Das ungute Gefühl, das Rath schon die ganze Zeit begleitet hatte, verstärkte sich, als sie sich der anderen Seite der Baugrubenäherten. Auch die Südseite der Baustelle war mit einem Bretterzaun abgesperrt. Dahinter hoben sich die Ziegelmauern eines
     tristen Hinterhofs in die Höhe.
    »Wo haben Sie ihn denn gefunden?«, fragte er den Polier, der direkt vor ihm ging.
    »Wat heeßt jefunden? Ick hab nur jesehn, det die Jungs da Mist jebaut ham am Fundament, die janze Bodenplatte war eene einzije
     Hügellandschaft, un ick sach, reißt det wieder uff, det müssen wer sauberer jießen! Un da war da plötzlich ein Bein im Beton.
     Da hamwa Ihnen natürlich sofort jerufen, Herr Kriminalrat.«
    »Kommissar.«
    »Wie Se meenen.«
    Erst als sie die Baugrube umrundet hatten und oben auf der Böschung standen, konnte man es sehen. Ein paar Meter hinter den
     Schupos, die da unten standen, lugte etwas Schwarzes aus dem Beton, zerknitterter Stoff, voller Zement, offensichtlich ein
     Hosenbein.
    »Zuerst hamwa jedacht, da macht sich eener ’nen Scherz un hat da ne olle Hose rinjeworfen. Aba da is noch wer drin.«
    Rath nickte und stieg in die Baugrube hinunter. Er achtete nicht mehr darauf, wo er hintrat. Seine Schuhe konnte er ohnehin
     wegschmeißen. Das zweite Paar innerhalb weniger Tage.
    Die Schupos salutierten.
    »Oberwachtmeister Stürickow, 87. Revier«, sagte der Ranghöchste. »Melde gehorsamst, Herr Kommissar: vermutlich männliche Leiche
     im Beton.«
    »Noch nicht geborgen?«
    »Noch nicht geborgen, Herr Kommissar. Wollte erst Erscheinen der Kriminalpolizei abwarten.«
    Rath nickte. Vorbildlich. Langsam sickerte auch zu den einfachen Revierpolizisten die Erkenntnis durch, dass Spurensicherung
     ein wichtiger Bestandteil der polizeilichen Ermittlung war. Ausgerechnet hier traf er auf einen, der das kapiert hatte.
    Er spürte, wie eine unbarmherzige Nervosität von ihm Besitz ergriff, langsam, aber unaufhaltsam. Fast hätte er angefangen
     zuzittern. Doch da standen Männer um ihn herum, Männer, die ihn gebannt anschauten, Männer, die seine Anweisungen erwarteten.
     Kriminalkommissar Gereon Rath war an diesem Ort, um Befehle zu erteilen. Nun gut, er wollte sie nicht enttäuschen. Er würde
     sie ordentlich auf Trab halten, damit sie nicht zu viel nachdachten!
    »Henning, bringen Sie den Fotoapparat mal hier runter«, rief er nach oben. »Bevor wir anfangen, das Ganze freizulegen, brauchen
     wir erst mal ein Foto vom Status quo.«
    Der Kriminalassistent hatte den Fotoapparat geschultert und mühte sich nun die Böschung hinunter. Beinahe wäre er in dem feuchten
     Mutterboden ausgerutscht.
    Rath wandte sich an den Polier. »Haben Sie hier einen Platz, an dem man sich ungestört unterhalten kann?«, fragte er.
    Kurz darauf standen sie im benachbarten Hinterhof vor einem Bauwagen, der mit einem neuen Vorhängeschloss gesichert war. Zwei
     Kinder spielten auf dem Pflaster Hüpfekästchen.
    »Mussten wer hier abstellen«, erklärte der Polier. »Keen Platz uff der Baustelle selbst. Un wat passiert? Natürlich: Wird
     injebrochen!« Umständlich rührte der Bauarbeiter mit dem Schlüssel im Schloss. »Würd mir nich wundern, wenn det eener von
     die Bajasche hier aussem Hof jewesen is. Allet Asoziale!«
    Angewidert deutete er mit dem Kopf auf die beiden Kinder. Rath musste nicht nachfragen, damit der Mann weitersprach. »Een
     Fahrrad is jeklaut worden, un so

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