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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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durch die man den Raum hätte betreten oder
verlassen können.
    Sallie drehte sich um die
eigene Achse. Nein, keine Türen. Auch keine Wände oder Gegenstände, nichts,
worauf man hätte sitzen oder schlafen können – nur die nackten Mauern und der
kalte Boden. Und während Sallie sich umsah, begann der Nebel wieder durch die
Fensterschlitze zu kriechen.
    Sallie betrat das Wolfskopf
Zeichen und sagte entschlossen: »Bring mich zu ihm.«
    Das Zeichen leuchtete in einem
grellen Rot auf, das sie für einen Moment blendete. Als sie endlich etwas sehen
konnte, fand sie sich in einem kleinen, behaglich eingerichteten Zimmer wieder,
in dessen Kamin ein loderndes Feuer brannte. Sallie fühlte, wie die Kälte aus
ihren Gliedern wich. Die Wärme im Zimmer machte sie müde. Sie wehrte sich
dagegen, riss die Augen auf, die ihr zuzufallen drohten, und sah sich hastig
um. Niemand war bei ihr im Zimmer. Und auch hier gab es keine Tür.
    Sallie untersuchte das Zimmer
so gründlich wie möglich, aber anscheinend war sie hier gefangen. Irgendwo
musste es einen verborgenen Wolfskopf geben, der sie wieder hinauszutransportieren
vermochte, aber sie konnte ihn nicht finden. Sie gab die Suche auf und setzte
sich in einen der einladend aussehenden Polstersessel. Mit einem erschöpften
Seufzer lehnte sie sich in seine Umarmung, zog die Füße auf den Sitz und
schloss die Augen. Wenn der Wolf sie so fand und tötete, dann musste es eben so
sein. Sie war zu müde, um ihn stehend zu erwarten.
     
     
     
     
     
    18
     
     
    Sallie erwachte mit einem
Ruck. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, nur noch dunkelrote Glut tauchte
das Zimmer in ein schwaches Dämmerlicht.
    Etwas hatte sie geweckt. Ein
Geräusch oder eine Bewegung?
    Langsam richtete sich Sallie
auf und griff nach dem Obstmesser in ihrer Tasche. Sie beugte sich vor und
spähte in die dunklen Ecken des Zimmers. Dort stand jemand. Nein, sie erinnerte
sich, das musste der kleine Schrank sein. Dort, eine Bewegung. Aber im Kamin
flackerte das Feuer noch einmal auf, und deshalb bewegten sich die Schatten.
Sallie beugte sich noch weiter vor, und der kleine Anhänger, den sie um den
Hals trug, rutschte heraus. Er baumelte vor ihrer Brust und fing mit kleinen
grünen Blitzen das ersterbende Kaminfeuer ein.
    Sallie hörte jemanden hastig
einatmen. Sie wich in die Sicherheit ihres Sessels zurück und fasste ihr
kleines Messer fester. »Wer ist da?«, fragte sie mit dünner Stimme.
    »Du hast es«, sagte der Graue
Herr. »Ich habe es überall gesucht und du hast es. Woher? Hast du es mir gestohlen?«
    Sallie drückte sich in die
Polster. Sie konnte nicht erkennen, wo die Stimme herkam. »Mach Licht«, forderte
sie. »Ich rede nicht mit dir, wenn ich dich nicht sehen kann.«
    Der Graue Herr lachte böse.
»Warum bittest du mich um etwas, das du selbst tun kannst?«, spottete er. »Dort
ist der Kamin.«
    Sallie wollte ihm antworten,
dass sie nicht wusste, wie sie ohne Holz Feuer machen sollte, aber etwas verschloss
ihr den Mund. Erschreckt sah sie, wie ihre Hand sich hob und mit dem lächerlichen
Obstmesser auf den Kamin deutete. »Licht«, sagte die Katzenkönigin müde.
    Das verkohlte Holz flammte
hell auf und vertrieb die Schatten. Sallie sah den Grauen Herrn, der ihr gegenüber
im Sessel lehnte. Seine hungrigen Augen fixierten den Anhänger, der grün
funkelnd um ihren Hals hing.
    »Woher hast du ihn?«, fragte
er erneut. »Gib ihn mir zurück, kleine Diebin.«
    »Rede kein dummes Zeug,
Bardh«, sagte die Katzenkönigin mit Sallies Stimme. »Das hier gehört mir, wie
du weißt. Du hast es mir einst geschenkt und es ist zu mir zurückgekehrt.«
    Seine Zähne blitzten weiß im
Dämmerlicht. »Da bist du ja, meine Freundin. Ich habe mich gefragt, wann du
dich endlich zu erkennen gibst.« Er klatschte in die Hände. »Nun, da wir hier
so gemütlich beisammensitzen – was möchtest du trinken? Tee?«
    Auf dem Tisch erschien ein
Tablett mit einer Tasse und einem silbernen Kännchen, aus dem Dampf aufstieg.
Es roch zart nach Vanille.
    »Trink deinen Tee,
Küchenmädchen, und sieh zu, was ich mit deinen Freunden mache«, rief der
Nebelkönig und schnippte mit den Fingern.
    Eine schwarze und eine rote
Katze saßen vor seinen Füßen. Die rote Katze fauchte laut und schlug nach dem
Grauen Herrn, und der schwarze Kater knurrte böse wie ein Hund und legte die
Ohren an. Sallie schrie auf und sprang aus dem Sessel, und im gleichen
Augenblick packte der Nebelkönig die beiden Katzen und hob sie hoch,

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