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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Peripherie gedeihen darf.«
    Laut sagte er: »Ich glaube auch, daß Sie in diesem Moment ein Himmelsgeschenk sind, Herr Zuckschwerdt. Wissen Sie, wir sind beide ein wenig verkommen hier. Da tut es wohl, wenn uns eine kräftige Hand einmal herausreißt und uns spazieren fährt.«
    »Ha,« sprach der Leutnant und reckte sich, daß die Nähte an seinem bunten Hemde krachten, »man soll nie verzagen. Der Zuckschwerdt kommt oft im richtigen Moment. Betrieb ist doch die Hauptsache. Über Ihren Büchern müssen Sie ja auch verblöden.«
    »Verblöden ist vielleicht zuviel gesagt,« fügte Erwin vorsichtig ein. Ihm war, als sei ein großer Stein in den Sumpf gefallen, ein Meteor vielleicht, der habe aufgezischt und ihn von oben bis unten mit kaltem Wasser bespritzt.
    »Welch entzückend unbewußte Unverschämtheit,« dachte er. »Verblöden,« sprach er laut weiter, »gibt es wohl nicht für jemand, der in dieser historischen Epoche lebt. Aber eine gewisse Erblindung gegen Tatsächliches befällt einen, wenn man Tag für Tag mit den größten Ungeheuerlichkeiten überschüttet wird. Das stumpft genau so ab, wie wenn Sie sich neben eine Fabriksirenestellen. Man vergißt dann, daß es noch feinere Klänge gibt.«
    Hier hörte man Mildred wieder herunterkommen und Zuckschwerdt platzte fröhlich heraus: »Es ist gut, daß wir jetzt losziehn; denn philosophieren, das gibt es nicht!«

Hochzeitsfeier mit Landpartie
    Man ging die Wiese hinunter und als man des Gefährtes, das ihrer harrte, ansichtig ward, brach Zuckschwerdt in ein brüllendes, doch sonores Gelächter aus.
    »Da ist mein Sechssitzer,« schrie er vergnügt, »Marke Ford, echtes Blech und alle Bequemlichkeiten der Neuzeit.«
    In der Tat, es war ein trauriges Vehikel; klein, schwarz, halbverrostet, mit zersprungenen Polstern und verbogenen Schutzblechen.
    »Nur immer herein, meine Herrschaften; Genügsamkeit ist auch was Schönes und man hat seinen Lohn davon.«
    Mildred sprang hinein, Erwin folgte etwas zögernd nach. Die Klapptür schloß nicht.
    »Klammern sich die Herrschaften nur an die Türen«, rief Zuckschwerdt, der bereits am Lenkrad saß. »Sonst fliegen sie auf und wir schlagen die Alleebäume kaput.«
    Er drücke wütend, doch der Selbstzünder versagte.
    »Schlamperei...«, grollte er, holte ein vorsintflutliches Kurbeleisen hervor und arbeitete vorn am Kasten, als gelte es das Leben.
    Der Motor brauste auf. Zuckschwerdt war mit einem Satz wieder am Steuer und mit unbeschreiblichen Klängen (so als würden mehrere quietschende Türen aufgerissen) setzte sich der Apparat in Bewegung.
    Die Straße war vorerst noch glatt und unter ruckweisen Stößen beschleunigte der Leutnant das Tempo. Endlich hatte er den Hebel auf Höchstleistung eingestellt und man ratterte dahin. Die atembeklemmenden Zwischenfälle der Maschine wurden seltener. Das Ding war einmal in Schuß und man kam vom Fleck. Immerhin hatte man noch das Gefühl, in einem Kajak zu sitzen, das einige Stromschnellen durch glücklichen Zufall überwunden hat, sich nun aber erst Katarakten nähert, die zerbrochene Knochen versprechen.
    Die Landschaft wirbelte vorbei. Es war eine wüste Entdeckungsfahrt und Zuckschwerdt war entschlossen, sich nicht verblüffen zu lassen. Er nahm Kurven, bei denen die armselige Zinnbüchse mit dem Hinterende erschreckend schlingerte, wie ein Rennfahrer, auf den hoch gewettet wird. Seine Dachaugen hypnotisierten gleichsam jede Überraschung, die der Weg bieten mußte, im vornherein. Sein eiserner Wille lief voraus und räumte Hindernisse auf die Seite. Schotterhaufen machten sich bemerkbar, doch der kleineFord ließ kindskopfgroße Steine auseinanderspritzen wie Sand.
    Zuweilen gab es ein Heben und ein Senken, daß man sich zwischen Himmel und Hölle umhergerissen fühlte; man erhielt Stöße und Püffe, daß man nach Luft rang; – aber breit zurückgelehnt, die schwarze Zigarre halb zerkaut zwischen seinen gesunden Zähnen, blieb der Leutnant hocken und er würde, so schien es, noch in derselben Pose hocken bleiben, wenn unter ihm auch alles aus dem Leim ginge ...
    Ein Städtchen näherte sich. Man mußte das Tempo mäßigen. Die Maschine wackelte halbbetrunken durch kerzengrade Alleen; schläfrige Landbevölkerung spuckte auf die Randsteine; höhnische oder scherzhafte Zurufe quollen aus den Gärten; halbverwilderte Hunde tanzten wütend neben ihnen her – –: doch wie ein Fürst, der in der Galakutsche vorüberfährt, mit halbzugekniffenem Auge, würdigte Zuckschwerdt

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