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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Momentan bin ich Ingenieur; das können Sie auf meiner Karte lesen. Hab' dieKarte auf dem Vorplatz gelassen. Freut mich riesig, Interesse zu erwecken.«
    »Sie kommen in einem seltsamen Augenblick,« sagte Mildred plötzlich, wobei sie Erwin halb schmollend, halb belustigt ansah. »Wir sind nämlich heute drei Jahre verheiratet. Mein verehrter Gatte hat das natürlich vergessen. Er treibt sich immer unter den Bäumen herum, fängt Insekten und läßt sie wieder laufen. Manchmal schreibt er auch eine Zeile, und im allgemeinen ist der arme Mann recht schlimm dran. Ein bißchen Aufmunterung, gemeinschaftliche Interessen könnten ihm gar nichts schaden.«
    Man sah es Erwin an, wie aufrichtig ihn die Mitteilung erschreckte.
    »Unser Hochzeitstag,« sagte er stockend vor sich hin, und trotzdem auch sein Gesicht von der Hitze rosa gefärbt war, schien es doch, als erblasse er flüchtig. Seine Augen vergrößerten sich, es war, als blicke er durch die gegenüberliegende Wand hindurch und sähe dort etwas Erschütterndes, was zu sehen er sich mit allen Fibern innerlich sträubte.
    Mildreds Gesicht, nach einer schnellen Strenge, die darüber gehuscht war, lächelte ihm zu. Auf den Leutnant hatte die Mitteilung eine geradezu elektrisierende Wirkung.
    Wie ein Mann, der eine große Geschäftsgelegenheit in Reichweite sieht und sich mit Sammlung seiner ganzen Energie darauf stürzt, stand er auf, so daß die Tassen klirrten, undbrüllte: »Hurra, das nenne ich einen Fund! Das trifft sich ganz famos! Man feiert selten Feste hier. Und ich soll gerade dazukommen, wo Sie einen von Ihren wenigen schönen Momenten hier haben? Da sind Sie bei Zuckschwerdt an den Richtigen gekommen!«
    »Kein Grund zur Aufregung,« sagte Mildred besänftigend. »Ein Tag ist hier wie der andere, mir ist schon beinah, als wäre ich mein Leben lang hier gesessen. Das Panorama und die Menschen, –: es ist alles so jämmerlich egal. Wir vegetieren nebeneinander hin und könnten ebenso gut auf einem anderen Planeten zufällig zusammengeraten sein.«
    Zuckschwerdts Miene nahm den Ausdruck tiefster Verständnisinnigkeit an, was ihm etwas drollig stand. Seine begeisterte Haltung verlor sich, er wurde zahm, sah etwas betrübt und leer drein und murmelte dann: »O ja, natürlich, diese Zeiten; und dann so abgesperrt sein. Wollen nicht gern dran erinnert werden, verstehe das, gnädige Frau. Aber trotzdem – – (und hier zwinkerte er vergnügt mit dem einen Auge) – – wie wär's, wenn ich Sie einladen dürfte, eine kleine Landpartie zu machen? Ich habe einen Sechssitzer draußen stehn, hat 7000 Dollar gekostet, ganz neu von der Fabrik, läuft wie Butter, da wollen wir uns einmal ein wenig Wind um die Ohren wehen lassen. Eine Flasche Kentucky erwischen wir unterwegs, und die Welt ist ja immer schön, wenn man nur schnell genug darin herumsaust.«
    Mildred fuhr freudig in die Höhe.
    »Das machen wir sofort!« rief sie, und Erwin sah ihr erstaunt nach, mit welch ungewohnter Hast sie zur Tür hinausflog, die Treppe in ein paar Sprüngen nahm und sich gleich darauf oben mit schnellen Schritten hörbar machte, als stände etwas Unerhörtes vor der Türe, das größte Fixigkeit erheische.
    Jetzt kam ihm plötzlich zum Bewußtsein, wie schwer ihm die Zeit an den Händen gehangen. Wie ein großes Amphibium am Rande eines Sumpfes war er hier gesessen, hatte träge Gedanken gesponnen und keine Wellen geschlagen. Er hatte dies leichte Geschöpf belastet mit einer grüblerischen Gegenwart. Qualvolle Ernüchterung hatte ihn gleichsam gedunsen und fett gemacht.
    Lebensstürme waren fern vorübergerauscht. Kaum hatte er geblinzelt, so tief vergraben war er gesessen im Schacht seiner selbst. Er richtete einen vollen sinnenden Blick auf diesen Mann. »Primitiv ist er ja«, dachte er, »aber du lieber Gott, er kann einem nützen.«
    »Wo hab ich dich doch schon drüben gesehen? Warst du nicht einer von denen, die hoch zu Roß vorüberklirrten, um die man einen kleinen Bogen machte, wenn sie einem auf der Straße begegneten? Die immer in Gruppen standen, immer alles arrangierten, immer schmiedeten, geschäftig die Kulissen rückten, immer einen Hintergrund mit breiten Farbklexen darauf für uns graue Existenzen stellten? Früher war das Aktivität voneiner üblen und überflüssigen Sorte; jetzt hat das auf einmal einen Schein von Berechtigung, scheint mir... Wo sich alles in der Welt die Köpfe blutig schlägt, kann sich ein Muskelmensch austoben, wenn er auch nur an der

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