Der neue Daniel
das Publikum keines Blickes. Allerhand andere Kraftwagen kreuzten ihren Weg, bremsten erschrocken, wichen zögernd aus; elegante und schäbige, vollgepackt mit Ausflüglern; aber den Rekord der Schäbigkeit schlug entschieden Zuckschwerdts kleine Maschine, was ihn mit einem gewissen trotzigen Stolz zu erfüllen schien.
»Wir werden jetzt etwas langsamer fahren«, meinte er an seiner Zigarre vorbei. »Ich habe Ihnen gezeigt, was für ein Leben noch in diesem Kasten steckt, wenn man ihn energisch anpackt.Wissen Sie: Zäune und Schotterhaufen sind noch lange kein Hindernis für meine kleine Lizzie. Ich habe sie für hundert Dollars geschenkt bekommen, und gern geschenkt!«
Er lachte krachend. »Aber die Philosophie habe ich Ihnen wohl aus dem Leibe geschüttelt, Herr Notacker.«
Nach Luft ringend gab Erwin ihm recht. – Während sie weiterfuhren, erkundigte er sich ein wenig über seinen seltsamen Gast.
»Beruf? – Ja, er wäre jetzt sozusagen Allerweltsgehilfe. Der militärische Beruf, das sei für ihn das Wahre gewesen. Habe weg müssen, so um 12 herum. Teufelskerl wie er trete ab und zu mal in so 'ne kleine Verwicklung hinein. – Wissen Sie, die kleinen Mädchen ... Der alte Herr habe sich geweigert, für Sektrechnungen aufzukommen. Eines schönen Tages habe er ihn mit 'nem Notpfennig an die Luft gesetzt. Da habe er's mal mit dem Land der unmöglichen Begrenztheiten versucht... (Dieser Witz gefiel ihm wieder so, daß es ihn ehrlich schüttelte.) Wie das früher so gewesen wäre, das könne Erwin ja aus diesen Bildern sehen.«
Er reichte ihnen einige Photographien, die er aus seiner Jackentasche zog.
»Das wäre seine Familie, Stammbürger von Dinklage; der Herr mit dem Couleurband, der wäre sein Bruder, und hier die Damen mit dem Jungen, das wären seine Schwestern. Gut verheiratet beide, anspruchslose, aber liebe Geschöpfe.Er trage die Bilder immer bei sich. Ein Blick darauf genüge und er fühle sich zu Hause. Nun aber käme die Hauptsache.« –
Es war inzwischen Abend geworden und die Schwüle hatte kaum nachgelassen. Sie fing sich unter den breiten Blättern der Tabakspflanzungen, durch die man jetzt fuhr. Das scheidende Licht der Sonne genügte jedoch gerade noch, um die Hauptsache, von der Zuckschwerdt sprach, erkenntlich zu machen. Es war die zur Pyramide aufgebaute Mannschaft seines Pionierbataillons und daneben das Porträt eines Divisionskommandeurs in Gala. Es war ein weihevoller Moment und Zuckschwerdt dämpfte die Schnelligkeit und kroch wie eine Schnecke.
»Den müssen Sie sich genau betrachten; aus dem sauge ich mir sozusagen neue Kraft. Wenn er so unsere Kompagnie abritt und ich stramm stehen mußte und Bericht erstatten, – dann hatte er eine Art, Worte zu hacken, die einem ins Mark ging. Feiner Kerl das, wußte mich zu schätzen. Beim Liebesmahl, da war ich oft dabei. Oft hat er mich angeblinzelt, so von oben herab; man wußte nie, wohin er eigentlich guckte, weil er so mächtige Tränensäcke unter den Augen trug. Aber er sah alles, der alte Schuft. Da gab es keine Bewegung, die ihm entging.«
Zuckschwerdts Stimme bebte vor Erregung. »Ja – und was er mir immer sagte, das habe ich mir gemerkt: »Widerwärtigkeiten gibt es nicht, ins Auge fassen und erledigen, dann sind sie weg«.«
Er nahm das Bild ehrfurchtsvoll zurück und bettete es sorgsam wieder in seine Tasche.
»Das ist mir ein Talisman«, beschloß er. »Mir können die Hunde hier nichts anhaben, sie probieren es immer; aber der Zuckschwerdt ist nicht unterzukriegen.«
In einer weiten Kurve fuhr man zurück. Es wurde dunkler, aber das Maschinchen ertastete sich, treu und blechern rasselnd, mühevoll seinen Weg durch die Dunkelheit.
»Mit dem Tempo ist es jetzt zu Ende. Ich glaube, das Gas geht ihr aus«, fuhr der Unerschütterliche fort. »Es ist noch gerade genug da, um zu Ihnen zu kommen.«
Man hielt vor einer schwach erleuchteten Wirtschaft. Zuckschwerdt verschwand hinter dem Hause und kehrte zurück. »Nehmen Sie das da gut unter den Sitz«, und er reichte zwei Flaschen herein. »Ich habe meine Quelle.« Es ging weiter und, wie um einen Epilog daran zu fügen, wurde er noch einmal gesprächig.
Mit gutbezahlten Stellungen habe man ihn geradezu bombardiert ... bekannte er in schöner Bescheidenheit. Aber die Leute hätten keine Ahnung von deutscher Arbeitsweise. Kein Wunder, daß man ihn schätze. Stramm und gründlich, das sei seine Devise. Er habe hier Probleme unter der Hand, die ein Schuljunge in Deutschland
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