Der neue Frühling
Hjjk-Gebiets, lange vor der Vereinigung, hatten die Bengs Herden von Wild-Cafalas aufgespürt und sie wegen ihres Fleisches und ihrer dichten Wolle domestiziert. Seitdem galten sie als große Cafala-Kenner.
Aber diesmal war es ein Koshmari-Junge, der an der Spitze lag, oder? Aber ja, ja! Es war Jalmud, einer der jüngeren Söhne von Preyne. Nialli war aufgesprungen, fuchtelte frenetisch mit den Armen und feuerte ihn an. »Los, Jalmud! Los! Du schaffst es!«
Der Junge hockte, tief nach vorn gebeugt, auf seinem Cafala, die Knie eisern in des regennasse bläuliche Fell seines Reittiers gebohrt, und zog mit den Fingern heftig an den ledrigen lappigen schwarzen Ohren. Und sein stumpfblickendes flachnäsiges Cafala reagierte heldenhaft und stampfte mit nickendem Kopf und spreizbeinig stetig vorwärts. Inzwischen hatte es sich eindeutig an die Spitze des Feldes geschoben.
»Jalmud! Jalmud!« schrie Nialli. »Los! Gib’s den Bengs!« Sie tanzte jetzt herum, ahmte den unbeholfenen Kanter der Cafalas nach und lachte, wie Hresh sie lange, lange Zeit nicht mehr hatte lachen hören. Sie wirkte mehr wie ein ganz junges Mädchen beim allerersten Cafala-Rennen als wie eine Frau, die er nie wiedersehen würde.
Er fühlte – wie er sie da so beobachtete, während sie dem Rennen zusah – einen scharfen stechenden Gram in sich. Er schaute sie unablässig an, als erwartete er, daß sie hier und gleich jetzt vor seinen Augen verschwinden werde. Aber noch blieb ihnen ja ein wenig Zeit. Zuerst mußte sie ihm ja noch all das über die Königin und das Nest erzählen, was zu sagen sie ihm versprochen hatte. Und Nialli hielt sich stets an ihre Versprechungen.
Wie bald schon würde sie fortgehen? In ein paar Tagen, einer Woche, einem Monat?
Schon als Kind war sie abenteuerlustig gewesen, stets voll Neugier, stets lernbegierig. Mit schmerzlicher Zärtlichkeit sah Hresh sie jetzt in seiner Erinnerung vor sich, wie sie als kleines Mädchen gewesen war: die hellen wachen Augen immer voll Lachen, war sie an seiner Seite durch die Gänge des Hauses der Wissenschaft gestolpert, von Fragen übersprudelnd: Was ist das? Was ist das?
Jedoch, es stand zweifelsfrei fest, sie würde fortgehen. Sie sah darin das Große Abenteuer ihres Lebens, die Große Suche und Heilsfindung, und nicht, gar nichts sonst war ihr daneben noch wichtig. Weder Vater noch Mutter und auch nicht die Stadt. Es war wie ein Zauberbann, eine Verhexung. Und er würde sie nicht zurückhalten können. Er hatte dieses Leuchten an ihr gesehen. Sie liebte diesen Kundalimon und – Dawinno helfe ihr! – sie liebte die Königin. Die eine Liebe war ganz natürlich und eigentlich durchaus lobenswert. Die andere entzog sich seinem Begriffshorizont und außerdem, wie er sehr wohl wußte, jeglicher Beeinflussung seinerseits. Was immer man mit ihr während ihrer Gefangenschaft im Nest gemacht haben mochte, es hatte sie unwiderruflich verändert. Also würde sie nun wieder zu den Hjjks gehen; und ebenso sicher war wohl, daß sie diesmal nicht zurückkehren würde. Niemals. Es kam ihm so unwirklich vor: In ganz kurzer Zeit sollte er sie für immer verlieren. Aber er war machtlos dagegen. Die einzige Möglichkeit, sie hier bei sich festzuhalten, wäre, daß man sie einsperrte wie eine gewöhnliche Kriminelle.
Und Nialli schreit schrill: »Jalmud!« Sie wirkt ganz außer Rand und Band.
Das Wettrennen ist vorbei. Jalmud steht grinsend vor dem Dawinno-Altar und nimmt seinen Siegerkranz entgegen. Stallknechte versuchen die umherwandernden Cafalas zu sammeln, die sich überallhin verstreut haben.
In diesem Augenblick taucht eine behelmte Gestalt am Zugang zur Häuptlingsloge auf: ein dicklicher, untersetzter Mann mit der Schärpe der Justizwachen. Er beugt sich zu Taniane herab und sagt sehr gedämpft: »Hohe Frau, ich muß dich sprechen.«
»So sprich denn!«
Der Gardist wirft Hresh einen unsicheren Blick zu. Dann auch einen ebenso unsicheren auf Nialli.
»Es ist ausschließlich für deine Ohren bestimmt, Edle.«
»Schön, dann flüstere!«
Der Gardist schiebt den Helm in den Nacken und beugt sich, unverschämt dicht, zu Taniane nieder. »Nein!« murmelt Taniane nach den ersten paar Worten heiser. Sie greift kurz mit beiden Händen an den Hals. Dann hämmert sie mit den Fäusten heftig und in wilder Wut auf ihre Schenkel. Hresh starrt sie verblüfft an. Sogar der Wachsoldat scheint verwirrt, was für eine Wirkung seine Nachricht auslöste, und weicht zurück und schlägt die Zeichen
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